Mirko Stefanovic unterrichtet eine Willkommensklasse. Im Interview spricht er über Probleme und Wünsche
Aus elf verschiedenen Ländern stammen die Flüchtlingskinder, die aktuell in den beiden Willkommensklassen des Humboldt-Gymnasiums in Tegel unterrichtet werden. Bei Mirko Stefanovic sollen sie Deutsch lernen, um nach wenigen Monaten in eine Regelklasse versetzt werden zu können. Wie schwierig das ist, erzählt der Lehrer im Interview.
Wie muss man sich eine Unterrichtsstunde bei Ihnen vorstellen?
Einer fragt nach den Zahlen eins bis zehn, ein anderer möchte wissen, wieso es heißt „Ich bin in der Schule“ statt „Ich bin in die Schule“. Die Sprachniveaus sind sehr unterschiedlich. Ich muss schnell umschalten.
Haben Sie sich das so schwer vorgestellt?
Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde. Schwierig ist aber auch, dass die Schüler immer wechseln. Viele stammen aus Bosnien, Albanien und Serbien, sogenannten sicheren Herkunftsländern. Diese Schüler werden nach einer gewissen Zeit abgeschoben. Sie sind zwei bis drei Monate in der Willkommensklasse, haben etwas Deutsch gelernt und müssen gehen. Dann nimmt ein anderes Kind den Platz ein, welches in der Regel erneut bei null anfängt.
Das schlägt sich sicher auf die Motivation aller Schüler aus.
Natürlich. Wir haben Kinder, die in ihrer Freizeit noch eine Sprachschule besuchen. Die Fortschritte sind bemerkenswert. Die Motivation der Kinder vom Balkan, die wissen, dass sie abgeschoben werden, ist erfahrungsgemäß niedriger.
Sie unternehmen viele Exkursionen.
Ich möchte, dass die Kinder Berlin kennenlernen, das ist für die Integration wichtig. Auch haben wir zwei Projekte mit Musikern realisiert. Wir hatten Schüler, die sprachlich noch nicht weit waren, aber toll trommeln konnten. Sie waren plötzlich die Stars in der Klasse und konnten ein Stück weit Selbstbewusstsein aufbauen.
Einige Kinder haben Traumatisches erlebt. Inwieweit können Sie helfen?
Einige Kinder kommen aus Bürgerkriegsgebieten und mussten Dinge sehen, die ein Kind nicht sehen sollte. Manchmal sprechen sie darüber. Wir Lehrer sind dafür nicht ausgebildet. Unsere Schulsozialarbeiter und eine externe Sozialarbeiterin unterstützen uns zwar und gehen in die Familien. Wir brauchen aber deutlich mehr psychologische Hilfe.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Wir haben momentan in einer Klasse Analphabeten, Schüler mit sehr guten Deutschkenntnissen und alles dazwischen. Die Senatsverwaltung sollte dafür sorgen, dass die Schüler getestet werden, bevor man sie auf die Willkommensklassen verteilt, damit ein leistungsdifferenziertes Arbeiten stattfinden kann. Außerdem muss die Politik mehr Geld bereitstellen, damit genügend qualifizierte Lehrkräfte eingestellt werden können. Man könnte den Unterricht sicher noch besser machen, als wir das bislang können.
Das Gespräch führte Anastasia Barner, 17 Jahre