Parallelklassen werden parallele Gesellschaften

Gülsün Cakmak: „Deutsche und nicht deutsche Schüler gehören in die gleiche Klasse. Foto: Privat
Gülsün Cakmak: „Deutsche und nicht deutsche Schüler gehören in die gleiche Klasse. Foto: Privat

Der Fall ist ein Phänomen: Drei ehemalige Schüler nicht deutscher Herkunft des Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums in Neukölln machen ihre vielen Klassenkameraden mit Migrationshintergrund dafür verantwortlich, dass sie ihr Probehalbjahr nicht bestanden haben. Die türkisch- und arabischstämmigen Schüler gehen inzwischen auf andere Schulen. Ihre Eltern klagten gegen das Gymnasium. Sie argumentierten, ihre Kinder seien bewusst in eine „Migrantenklasse“ gekommen, es handle sich damit um Diskriminierung. Diese Woche wurde die Klage abgewiesen. Die Schüler hätten keinen Anspruch darauf, in eine Klasse mit geringem Migrantenanteil zu kommen. Der Schulleiter habe die Verteilung nachvollziehbar mit der Kurswahl der Schüler begründet und damit, dass Grundschulfreunde in eine Klasse kommen sollten.

Berechnung ist es möglicherweise dennoch, wenn jemand mit türkischem Namen in eine Klasse mit hohem Migrantenanteil kommt. An mindestens einem weiteren Gymnasium in Neukölln scheint es ähnlich zu sein. Dort gibt es in zwei von fünf Klassen mehr Schüler mit Migrationshintergrund als ohne. Nur wenige Schüler dort befreunden sich deshalb mit jemandem, der einer anderen ethnischen Gruppe angehört als der eigenen.
Wenn wirklich die Herkunft bei der Zuteilung auf die Klassen eine solche Rolle spielte, wäre das fatal. Abgesehen davon, dass das Alltagsrassismus ist, könnte diese Praxis eine schlimme Folge haben: die Bildung so genannter Parallelgesellschaften.

Mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Impuls dazu in diesem Fall von Schulen ausgeht, die doch eigentlich das tolerante Miteinander aller Schüler, egal welcher Herkunft, fördern sollten – und nicht von den Migranten, denen sonst immer vorgeworfen wird, sie würden sich abschotten. 
Die Schule ist nicht nur eine Bildungseinrichtung. In ihr sollen wir auch lernen, wie man zusammenlebt. Und so, wie es uns dort beigebracht wird, werden wir deshalb wahrscheinlich auch später zusammenleben. Gerade dort sollte man deshalb Respekt und Toleranz fördern, statt das Schubladendenken, das es offensichtlich in den Köpfen vieler Erwachsener gibt, auch noch auf Schüler auszuweiten.

 

Von Gülsün Cakmak, 17 Jahre

 

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Kategorien Politik

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