Darüber, welche linguistischen Höhenflüge uns im Jahr 2017 womöglich bevorstehen, spekuliert das Glossar "The 2017". Foto: www.the2017.com

Von Noganern und Omni-Foodies

Zwei Berliner Studenten haben ein Wörterbuch für das kommende Jahr herausgegeben. Laura hat getestet, wie 2017 sie ist

„Trendsetter: nein. Cool genug für die Gegenwart: allemal.“ So lautet mein Testergebnis. Sieben von zehn Fragen im Quiz „Bist du bereit für 2017?“ konnte ich richtig beantworten. Entwickelt wurde es von Helene von Schwichow, 24, und Salomon Hörler, 22, als Ergänzung zu ihrem 12 000 Worte umfassenden spekulativen Glossar „The 2017“. Das digitale Wörterbuch listet Begriffe, die im kommenden Jahr Einzug in unsere Sprache halten könnten.

Oft treffen die beiden Jung-Visionäre, die Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste studieren, haargenau den Puls unserer Zeit. So hatte ich keine Probleme, Neologismen wie „Refumate“ (ein Flüchtling, mit dem man seine Wohnung teilt), „Loverblocker“ (die Möglichkeit, den Ex mithilfe einer App aus sämtlichen sozialen Netzwerken verschwinden zu lassen) oder „Trendsgender“ (temporäre Anpassung der Geschlechtsidentität an Modetrends) zu übersetzen. Andere Wortneuschöpfungen sind zwar witzig und ihre Definitionen nachvollziehbar, nicht aber besonders zeitgeistig. So bezeichnet „CEOpatra“ eine megaerfolgreiche und total scharf aussehende Chief Executive Officerette. „Arolex“ wird übersetzt mit „morgens Aronal, abends Elmex, mittags Arolex. Dentalhygiene für Lunchliebhaber. Tubendesign: zitronengelb“.

Der wohl größte Mehrwert des Glossars ist jedoch sein gesellschaftskritischer Gehalt, nehmen die beiden Berliner doch Lifestyle-Trends, Massenmedien und nicht zuletzt uns auf charmante Weise auf den Arm. Eine Dystopie vom Leben in 2017 könnte folgendermaßen aussehen: Treffen sich ein Schlipster und eine frischgebackene Flashbachelorette und finden sich tinderesting. Doch die Me-You-Balance will einfach nicht stimmen, schließlich ist er Noganer und sie Omni-Foodie mit einer Vorliebe für Dolly-Steaks. Hinzu kommt, dass er auch noch einen Phonecrush mit daraus resultierendem Handykopf hat, was sie ziemlich schnell phaelous macht. Bald merken sie also: Da können nur Tinderkinder bei rauskommen. Alles Fakelove. Es folgt der Digital Suicide.

Ob Tinderkinder auch vom Storch gebracht werden? Oder eher via E-Mail? Illustration: David Leimstädtner/www.the2017.com
Ob Tinderkinder auch vom Storch gebracht werden? Oder eher via E-Mail? Illustration: David Leimstädtner/www.the2017.com

Für alle Gestrigen, die die Yolo-gismen des letzten Absatzes nicht blicken, gibt es hier eine Auflösung:

Schlipster = „Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Schlipster nicht von einem gewöhnlichen Anzugträger. Lediglich die Tatsache, dass er statt eines Aktenkoffers immer noch einen Jutebeutel über die Schulter hängen hat, verrät seine Vergangenheit“

Flashbachelorette = „Hypnosebasierte Vermittlung von Lehrinhalten eines kompletten Bachelorstudiengangs: Drei Sitzungen à 30 Minuten (je 60 ECTS)“

tinderesting = „Man empfindet eine Person als tinderesting, wenn man sich mit ihr zwar eine gemeinsame Nacht vorstellen kann, sie aber zugleich für nicht dialogfähig hält“

Me-You-Balance = „Das Individuum steht an erster Stelle. Man muss auf die Me-You-Balance in Beziehungen achten, um noch genug Zeit für sich selbst zu haben“

Noganer = „Bewegung zumeist junger Leute, die davon ausgehen, dass man auch Pflanzen unnötige Schmerzen zufügt, wenn man sie als Essen zubereitet, etwa Korn mahlt, Erdbeeren pflückt oder Kartoffeln aus dem Boden reißt. Noganer verzichten deshalb nicht nur auf tierische, sondern auch auf pflanzliche Produkte jedweder Art“

Omni-Foodie = „Ein Alles-Esser, Bewegung gegen Veganer, Frutarier und Noganer“

Dolly-Steaks = „Fleisch aus dem Reagenzglas“

Phonecrush = „Verknallt ins Handy“

Handykopf = „Krankheitsbild: Nackenbeschwerden durch falsche Nutzung des mobilen Endgerätes“

phaelous = „Wortkreuzung aus „Phone“ und „jealous“. Eifersucht auf die Zuneigung, die der Partner seinem Handy entgegenbringt (vgl. Phonecrush)“

Tinderkinder = „Selbsthilfegruppe“

Fakelove = „Eine Person, die man datet, um gut auszusehen“

Digital Suicide = „Durch Facebook induzierte Depressionen sind als etabliertes Krankheitsbild im Alltag angekommen. Manchmal scheint der einzige Ausweg der digitale Selbstmord zu sein: #ds“

Yologismus = „Peinliches Wort, das von erwachsenen Feuilletonlesern aus der Teenagersprache übernommen wird. Beispiele aus vergangenen Zeiten: SWAG, YOLO, CHABO“

Laura Patz, 21 Jahre

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Kategorien Gesellschaft Zwischendurch

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