von Maximilian Hennig, 19 Jahre
Es lag gespannte Stille in der Luft. Feindselig fragten wir uns, wie wir aneinandergeraten waren, die Mathematik und ich.
Seit 13 Schuljahren verfolgt sie mich unablässig, und nun zur Vorbereitung meiner Abiturklausur führten wir tagtäglich stundenlange Duelle. Trotz der Mobilisierung all meiner Kräfte gegen Integrale, die Hessesche Normalformel und Funktionsgleichungen – immer wieder verlor ich unsere Kämpfe. Während einer dieser Höhepunkte meines Scheiterns, kurz vor der völligen Verzweiflung, drang aus den Tiefen meiner heimischen Musiksammlung der zerbrechliche, von spannungsvoller Gitarre und Schlagzeug untermalte Gesang von Dirk von Lowtzow an mein Ohr. Sensibel und grazil verkündete er: „Wenn Du denkst, Fuck it all, wie soll es weitergehen? Kapitulation.“
„Kapitulation“, ein Lied von Tocotronic, das jedem Verzweifelten Trost verspricht. Mein Frust verlor sich beim Hören der CD. Ich hämmerte weiter manisch auf das Tastenfeld meines Taschenrechners und kam nach mehreren falschen Ergebnissen zu dem Schluss, dass Scheitern legitim ist, wenn man alles in seiner Kraft Stehende versucht hat. Befreit von der Angst zu versagen und mental unterstützt von der tocotronischen Erkenntnis, dass „mein Ruin ist, was mir bleibt, wenn alles andere sich zerstäubt“, verbrachte ich die letzten Stunden vor meiner Prüfung in relativer Ruhe. Die verlor sich zwar sofort, als die Aufgaben ausgeteilt wurden, doch dann spielte Tocotronic ein Exklusivkonzert in meinem Kopf, bei dem sich eine Zeile wie ein Mantra wiederholte: „Alle, die uns kontrollieren, sie müssen kapitulieren.“