Warum entscheiden Erwachsene über den Jugendliteraturpreis? Schüler diskutierten mit der Jury
von Rebecca Ciesielski, 20 Jahre
Jugendliche werden häufig unterschätzt“, meldet sich ein Mädchen aus der ersten Reihe zu Wort. Sie spricht darauf an, dass Jugendlichen nicht einmal dann ein Bestimmungsrecht eingeräumt wird, wenn es um ihren eigenen Geschmack geht.
Ungefähr 20 Schüler der Berliner Literatur Initiative (BLI) haben sich am vergangenen Mittwoch in einer Buchhandlung in Steglitz zusammengefunden, um über die Vergabekriterien des Jugendliteraturpreises und die diesjährigen Nominierungen zu diskutieren. Es geht um ein Dilemma, das jährlich im Vorfeld der Vergabe des Preises entsteht. Ist es einer neunköpfigen Kritikerjury – ausschließlich bestehend aus Erwachsenen – möglich, Kriterien an Bücher anzulegen, die den jugendlichen Lesern gerecht werden?
Im Laufe eines Jahres müssen die neun ehrenamtlichen Jurymitglieder etwa 250 Bücher lesen. Aus diesen wählen sie rund 40 Titel aus, die dann an sechs Jugendlesegruppen in ganz Deutschland versandt werden. Jede der sechs Gruppen bestimmt aus dieser Auswahl ihren Favoriten. Am Ende des Verfahrens legen die Erwachsenen jeweils einen Gewinner in den Sparten Bilder-, Kinder-, Jugend- und Sachbuch fest. Die Jugendgruppen vergeben lediglich den Preis der Jugendjury.
Literaturwissenschaftler Professor Bernd Müller, der die Diskussionsrunde moderierte, gab sich Mühe, bei der Frage danach, warum Erwachsene überhaupt Empfehlungen für den Jugendliteraturpreis geben sollten, zwischen den Parteien zu vermitteln. „Es wäre schön, wenn auch Nichtjurymitglieder Vorschläge einbringen könnten“, meinte ein Schüler aus der Podiumsrunde. „Theoretisch dürft Ihr das“, entgegnete Miriam G. Möllers, die in diesem Jahr Mitglied der Kritikerjury ist. Die Vergabe unterliege jedoch strengen Reglementierungen, die von außen nur schwer zu überblicken seien. Dementsprechend passiere es selten, dass Vorschläge von außen einbezogen würden.
Die Schüler der BLI haben die Bücher, die von der Jugendjury in diesem Jahr favorisiert wurden, gelesen und diskutiert. Die Themen bewegen sich zwischen Drogen, Vergewaltigung, ungewollter Schwangerschaft, und die Meinungen zu den einzelnen Titeln gingen stark auseinander. „Exakt dieselben Diskussionen wie Ihr hatten wir in der Kritikerjury auch!“, freute sich Miriam Möllers.
Es bleibt die grundsätzliche Frage, welche Art Literatur man überhaupt mit Preisen fördern sollte. „Es gibt auch Jugendliche, deren Interesse an Literatur nicht mehr geweckt werden muss, weil es längst da ist“, war sich einer der Schüler sicher. Er wünschte sich deshalb, dass anspruchsvolle Literatur gefördert wird und nicht nur die Jugendbezogenheit der Themen. Der Begriff „anspruchsvoll“ wurde indes auf dem Podium sehr unterschiedlich ausgelegt. Eine der Schülerinnen wollte Harry Potter den Preis verleihen: „Dieses Buch schafft eine eigene komplexe Welt und enthält so viel Wahres“, schwärmte sie.
Der Deutsche Jugendliteraturpreis wird seit 1956 jährlich vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestiftet und verliehen.
Nominiert sind jeweils sechs Bilder-, Kinder-, Jugend- und Sachbücher, außerdem sechs Bücher, unter denen die Jugendjury einen Gewinner küren wird.
Die Preisträger werden am 14. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben.