Pantomimen haben keine Chance gegen Partylärm

Wer nachts ungestört schlafen möchte, sollte lieber nicht nach Friedrichshain oder Kreuzberg ziehen. Denn mit dem Sommer kommen die partydurstigen Touristen. Laut grölend strömen sie in Scharen durch die Straßen, ihre Rollkoffer laut klappernd hinter sich herziehend.

Radosveta Strumenlieva plädiert dafür, dass Touristen über Berlin verteilt werden. Foto: Gerd Metzner
Radosveta Strumenlieva plädiert dafür, dass Touristen über Berlin verteilt werden. Foto: Gerd Metzner

Mit dem Projekt „fair.kiez“ wollen Pantomimekünstler feiernde Berliner und Kurzzeitbesucher nun für sozialkonformes Nachtverhalten sensibilisieren. Seit Anfang Mai ziehen die weiß gekleideten Ruhestifter an den Wochenenden zwischen 22 und 4 Uhr durch die Touristenhochburgen rund um Schlesisches Tor, Warschauer und Revaler Straße. Organisiert wird die Aktion vom Verein Clubcommission in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, Visit Berlin sowie dem Hotel- und Gaststättenverband. Mit Kopfhörern, Lampen und Kissen bewaffnet interagieren die fünf ausgebildeten Pantomimen humorvoll mit den Nachtschwärmern. Mal lehnen sie sich zum Schlafen an die Bier Trinkenden, mal verteilen sie Handküsse, wenn der Müll richtig entsorgt wurde. Sieben Kommunikatoren erklären anschließend Sinn und Zweck der Aktion. Ende Juli werden die Pantomimen zum vorerst letzten Mal unterwegs sein. Ob das Projekt weitergeführt wird, entscheidet sich im September.

Im künstlerischen Ansatz als Erziehungsmaßnahme steckt zweifelsohne Potenzial. Kommunikation bewirkt mehr als der erhobene Zeigefinger eines Uniformierten. Zur dauerhaften Befriedung taugt das Projekt jedoch nicht. Jene, die auf die Künstler treffen, werden für ein paar Minuten gut unterhalten. Eventuell bleibt sogar der Gedanke, Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen, hängen. Doch die feiernde Masse lässt sich so nicht erreichen.

Auch ist zu bedenken, dass Berlin durchaus vom Partytourismus profitiert. 2014 verzeichnete die Stadt mit 27,7 Millionen Übernachtungen einen neuen Rekord. Die Einnahmen beliefen sich auf zehn Milliarden Euro. Würden wir die Touris künftig vom Flughafen abholen und mit Späti-Vorräten versorgt vor 22 Uhr im Hostel absetzen, würde Berlin in den Dornröschenschlaf fallen. 75 Prozent der Besucher zieht es übrigens nach Friedrichshain-Kreuzberg. Vielleicht wäre es sinnvoll, auch andere Stadtbezirke für Besucher attraktiv zu machen. Denn verteilter Lärm ist halber Lärm. von Radosveta Strumenlieva

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