Beim diesjährigen Theatertreffen der Jugend sind zwei herausragende Berliner Inszenierungen zu sehen
Von Viola Blomberg, 22 Jahre
Auf einer rosaroten Bühnenwelt erscheint die Herzkönigin. Sie präsentiert sich mit riesigem Tüllrock und roter Perücke und schreit zu den Untergebenen auf den Publikumsrängen: „Kopf ab!“
Die Zuschauer, die ständig in die Inszenierung miteinbezogen werden, tauchen gemeinsam mit den Schauspielern des Jungen Deutschen Theaters in die skurrile Welt von Alice ein. Doch die jungen Protagonisten im Alter von 9 bis 19 Jahren, die mit ihrem Stück „Alice“ zum diesjährigen Theatertreffen der Jugend eingeladen sind, erzählen ihre eigene Version des Wunderlandes, in der es um Fragen der Grenzüberschreitung zwischen Realität und Traum und die Identitätssuche geht: Wer bin ich?
In Anlehnung an das Kinderbuch „Alice im Wunderland“ ist es dem jungen Ensemble unter der Leitung von Nora Schlocker eindrucksvoll gelungen, den erwachsenen Blick auf die Kindheit widerzuspiegeln. Die Rolle der Alice ist dabei nicht fest vergeben, denn mal befindet sie sich auf der Bühne, mal nehmen die Zuschauer sie ein. „Das Schöne ist, dass jeder etwas von Alice hat und jeder ihre Figur verkörpern kann“, sagt Emmi, die unter anderem die Rolle der gnadenlosen Herzkönigin spielt.
Das Theatertreffen der Jugend lädt jährlich acht junge Theatergruppen ein, die zuvor von einer Fachjury in einem deutschlandweiten Wettbewerb ausgewählt wurden. Dieses Jahr ist neben der Inszenierung „Alice“ ein weiteres Berliner Ensemble dabei: Der Jugendclub von Gorki X, „Die Aktionist*innen“, stellt in „Kritische Masse“ Fragen an ihren Körper und die Gesellschaft. Dass das Ensemble ausschließlich aus weiblichen Darstellern besteht, ist Zufall. Doch so einigten sich die 15- bis 25-jährigen Theaterinteressierten schnell auf das Thema: Sie stellen mit persönlichen Geschichten auf witzige, aber dennoch tiefgründige Weise dar, was es heutzutage bedeutet, eine Frau zu sein. „In den Proben haben wir viel geredet, persönliche Erfahrungen ausgetauscht und Vertrauen aufgebaut, sodass fast alle Texte in dem Stück von den Schauspielerinnen selbst geschrieben wurden“, erzählt Suna Gürler, Spielleiterin des Ensembles. Das Ergebnis ist eine sehr persönliche und intime Inszenierung, bei der die Schauspielerinnen ihre individuellen Wahrnehmungen und Auffassungen zum Thema gesellschaftliche Rollenbilder verkörpern. Sie hinterfragen die Rollen, die jeder von uns glaubt spielen zu müssen, weshalb man sich als Zuschauer selbst gleichermaßen in dem Stück wiedererkennt.
Genau wie die jungen Künstler aus „Alice“ beweisen auch die Darstellerinnen aus „Kritische Masse“, dass Jugendtheater als eine eigenständige Kunstform für sich zu begreifen ist. Wer neugierig geworden ist, kann sich vom 29. Mai bis 6. Juni im Haus der Berliner Festspiele -diese und sechs weitere zum 36. Theatertreffen der Jugend eingeladene Produktionen anschauen.
Das Programm findet ihr unter: www.berlinerfestspiele.de