Wer das Wochenende damit verbringt, vor einer anstehenden Mathearbeit, einem Deutsch-Diktat oder einer Barrenübung unter der Aufsicht eines Sportlehrers, der auch „Drill Sergeant“ genannt wird, zu zittern, dem wird die folgende Feststellung wie Hohn erscheinen: Die meisten Jugendlichen in Europa gehen so gerne zur Schule, dass sie am liebsten noch ein paar Jahre an ihre reguläre Schulzeit dranhängen würden. Das geht aus einer Umfrage hervor, die im Rahmen des Projekts „Regulierung von Bildungsverläufen in Europa“ durchgeführt wurde.
So wollen in Deutschland 75 Prozent aller Schüler nach der zehnten Klasse noch nicht die Schule verlassen. Bevor sich die Lehrer nun zu früh freuen: Nein, das liegt leider nicht daran, dass ihr Unterricht entgegen allen Anzeichen von Langeweile – wie sie in den vergangen Jahren an ihren Schülern zu beobachten waren – doch so spannend war, dass selbst die drei künstlich gebräunten Schönheitsköniginnen in der letzten Reihe nach jeder Biostunde nur widerwillig ihre Schminktaschen zusammenpackten, um in die Pause zu gehen.
Vielmehr wollen sich die meisten Schüler mit 16 Jahren noch nicht entscheiden, welchen Beruf sie das nächste halbe Jahrhundert bis zur Rente ausüben möchten. Sie würden es vorziehen, sich einige Jahre mehr zur Schule zu schleppen, statt im schlimmsten Fall bis sie 67 sind jeden Tag einer ungeliebten Arbeit nachzugehen. Die Schule, so die Macher der Studie, zwingt die Jugendlichen zu früh, sich zu entscheiden. Daraus sollte man aber keine falschen Rückschlüsse ziehen: Sicher, wer nun aufhört, am Wochenende für Mathearbeiten und Diktate zu lernen, bekommt womöglich ein Jahr mehr Zeit, über die Berufswahl nachzudenken. Aber ob das die Lösung des Problems ist, die den Machern der Studie vorschwebt?
Vivian Yurdakul, 23 Jahre