DEUTSCHLAND, BONN, 08.10.2012, Schwarzes Brett an der Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität: Studenten auf Wohnungsssuche | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.

Wohnungssuche frustriert Berliner Studenten

Noch bevor das Semester beginnt, sind viele Studierende bereits gestresst – denn sie brauchen eine Bleibe.

Pauline sucht nun schon seit zwei Jahren nach einer Wohnung in Berlin. „Nach unzähligen Absagen und unangenehmen Situationen habe ich so langsam den Glauben an das Ganze verloren“, erzählt die 22-Jährige niedergeschlagen. Am schlimmsten seien die öffentlichen Besichtigungen, bei denen sie sich mit 30 Mitbewerbern durch die kleinen Zwei-Zimmer-Wohnungen schiebt. „Dabei fühle ich mich immer so klein und unbedeutend“, erzählt sie. Besonders ärgert sie sich aber immer dann, wenn sie Zeugin von Bestechungsversuchen wird: „Ich habe nicht erst einmal beobachtet, wie bei einer WG-Besichtigung Geld über den Tisch gewandert ist. Wie in einem schlechten Film.“ Pauline hat längst angefangen, auch abseits der hippen Szenebezirke nach einem neuen Zuhause zu suchen, musste aber feststellen, dass die Mieten auch im Speckgürtel Berlins lange nicht mehr so preiswert sind wie noch vor wenigen Jahren. „Dieses Hinhalten ist aber das größte Problem“, meint sie. „Man bewirbt sich, bekommt dann ewig keine Rückmeldung vom Vermieter und weiß nicht, ob man weiter suchen soll oder nicht.“

Wie verzweifelt Berliner Studenten auf Wohnungssuche sind, bekommt auch Laura zu spüren. Zusammen mit ihrer Mitbewohnerin sucht die Studentin der Freien Universität seit anderthalb Monaten ein neues Mitglied für ihre Wohngemeinschaft in Charlottenburg. Seitdem die beiden ihre Anzeige auf das Internetportal wg-gesucht.de gestellt haben, werden sie von E-Mail-Bewerbungen überhäuft. „Die ersten zehn Bewerbungen habe ich mir noch richtig durchgelesen, dann aber nur noch schnell überflogen und anhand der ersten Sätze aussortiert“, berichtet sie. „Man schraubt schnell seine Höflichkeit runter und das ist ja an sich furchtbar, denn zum Großteil sind das nette Leute, die nette E-Mails schreiben.“ Aufgrund der großen Menge an Bewerbungen sei ein anderes Vorgehen aber schlicht nicht möglich.

Oliver Iost, Gründer der Online-Plattform studis-online.de, bestätigt die Erfahrungsberichte der jungen Frauen. „Die Zeiten, in denen es in Berlin viele große und dennoch günstige Wohnungen gab, sind definitiv vorbei. Es gibt weniger freien und vor allem günstigen Wohnraum, was die Suche schwieriger und zeitaufwendiger werden lässt.“ Iost hat die Daten der WG-Börse studenten-wg.de ausgewertet und deutschlandweit verglichen. Das Resultat: Zwischen 2012 und 2015 sind die Mieten in Berlin um 18,8 Prozent angestiegen. „2015 lag die Warmmiete für WG-Zimmer bei 386 Euro, für durchschnittlich 21,2 Quadratmeter“, berichtet Iost. Damit belegt die Hauptstadt den fünften Platz im Deutschlandranking. Am teuersten leben die Studenten in München und Frankfurt. Die Gründe für die prekäre Wohnungssituation sieht Iost in den Versäumnissen der Politik: „Die meisten zulassungsbe­schränkten Studiengänge werden im­mer noch lokal vergeben, was zu ­langen Verfahren führt.“ Das ist inso­fern problematisch, als dass die Stu­denten erst spät ihre Zulassungsbe­scheide erhalten und somit alle in­nerhalb kürzester Zeit eine Bleibe ­finden­ müssen.

Die staatlich geförderten Institutionen können diese angespannte Marktsituation kaum entlasten. „Die meisten Bundesländer haben zu lange darauf gehofft, dass die Studierendenzahlen wieder sinken würden und sich das Problem somit von selbst löst“, so Iost. Doch das Gegenteil traf ein. Laut Statistischem Bundesamt Berlin-Brandenburg haben sich für das kommende Semester 2,6 Prozent mehr Studenten immatrikuliert als für das Wintersemester 2015. Das Studentenwerk Berlin, das in seinen Wohnheimen 9 500 Studenten beherbergt, hat bereits jetzt weit mehr als Zweitausend Bewerber auf der Warteliste.

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