„Die Vielfalt der Welt ist permanent verzaubernd“: Treffen mit Cornelia Funke

Nach 19 Jahren geht Cornelia Funke mit ihrer „Drachenreiter“-Fortsetzung auf Lesereise. Jugendredakteurin Margarethe war dabei.

Schummriges, blaugrünes Licht erfüllt den Saal. Leise erklingt das Zirpen und Rascheln des tropischen Regenwalds. Vor den weit geöffneten Schwingen eines Pappaufsteller-Greifs – halb Adler, halb Raubkatze – steht eine kunstvoll geschnitzte Holzbank. In dieser magischen Kulisse nimmt Bestsellerautorin und Illus-tratorin Cornelia Funke Platz. Endlich stellt sie mit „Die Feder eines Greifs“ den zweiten Teil ihres beliebten Fantasyromans vor – nach 19 Jahren.

Lange Zeit fürchtete sie, ihre Fans mit einer Fortsetzung zu enttäuschen. Doch durch die Arbeit an einem Comic über die Helden aus „Drachenreiter“ verliebte sich die Schriftstellerin erneut in ihre Figuren. „Da kam die Geschichte fast von selbst“, sagt sie. Wenn Cornelia Funke über ihr fantastisches Universum spricht, scheint auch sie ganz fasziniert zu sein. „Ich bin ein Geschichtenerzähler, der den Figuren ihre Geheimnisse lässt.“ Im Schreiben kommt sie diesen dann allmählich auf die Spur. In ihrem neuen Roman tummelt sich nach Vorliebe der Autorin ein Pool an Fabelwesen, die der Mythologie oder ihrer eigenen Fantasie entsprungen sind. So müssen Drachenreiter Ben und seine Begleiter die Sprösslinge eines verwitweten Pegasus-Hengstes retten und begeben sich dafür auf eine gefährliche Reise nach Indonesien.

Es geht jedoch nicht nur um die pure Lust am Abenteuer. Mit ihrer Geschichte sensibilisiert Cornelia Funke auch für den weltweiten Umwelt- und Artenschutz. „Die Vielfalt der Welt ist für mich eine permanente Verzauberung“, sagt sie und fürchtet um deren unreflektierte Zerstörung durch Menschenhand. Sie selbst plant gerade, in ihrer Wahlheimat Kalifornien ein Wildnisprojekt ins Leben zu rufen. Kinder sollen dort Auge in Auge mit Klapperschlange und Eidechse mit der Natur auf Tuchfühlung gehen und sich von ihr inspirieren lassen.

In Berlin kann sie ihr Publikum mit einer Begeisterung für die Fauna anstecken, die sich zwischen den Buchseiten verbirgt. Mehr als eintausend Gäste lauschen gebannt ihrer melodischen Stimme. Gemeinsam mit Schauspieler Rainer Strecker, der bereits einige Funke-Bücher vertonte, erweckt die Autorin ihre Romanwelt zum Leben. Als schließlich die Fragerunde eröffnet wird, drängeln sich zahlreiche Kinder vor den Mikrofonen: „Gibt es die Fabelwesen in echt?“ „Was ist Ihre Lieblingsfigur?“ „Wie kommen Sie auf all die Namen?“ Cornelia Funke nimmt sich die Zeit, alle Fragen möglichst zufriedenstellend zu beantworten. Auch nach 20 Millionen rund um den Globus verkauften Büchern leistet sich die gelernte Pädagogin keine Starallüren.

Plötzlich ertönt der Feueralarm aus einem Lautsprecher an der Decke. Verunsicherung macht sich breit. „Ist das jetzt ein Scherz?“, fragt die Autorin überrascht. Dann müssen alle im Gänsemarsch in die Novemberkälte hinaus. Was wie der aufregende Anfang eines Romans klingt, ist zum Glück nur ein Fehlalarm. Aber wer weiß: „Ich glaube daran, dass sich Geschichten vor einem verstecken“, verrät Cornelia Funke.

Die letzten Fragen sind kaum verklungen, da strömen die Besucher ins Foyer. Summend wie ein Bienenschwarm, lang wie ein Drachenschwanz bildet sich eine Schlange von frisch verzauberten Neu-Lesern und treu gebliebenen „Wilden Hühnern“. Ohne Murren warten sie auf ein Autogramm. Das Leuchten in den Augen teilen sie miteinander. Auch die, die 19 Jahre darauf warten mussten.

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Kategorien Kultur Literatur Zwischendurch

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.