Beim zweiten Tanztreffen der Jugend ist auch ein Berliner Ensemble vertreten
In der Tanzfabrik der Kindertanzcompany Berlin Sasha Waltz & Guests herrscht ein wirres Durcheinander. An der Fensterfront, mit Blick auf die Spree, klimpern zwei kleinere Jungs namens Bruno und Jasper auf einem Klavier und produzieren vierhändig schnelle fröhliche Klänge.
Nach einer kurzen Pause geht es mit den Proben des Tanzstücks „Feuerblume“ los. Am Dienstag präsentieren die 14 jungen Tänzer des Jugendensembles ihre Inszenierung beim zweiten Tanztreffen der Jugend, das vom 25. September bis 2. Oktober im Haus der Berliner Festspiele stattfindet.
Tanzfreund, Ratgeber und Choreograph Gabriel Galindez Cruz versammelt den quierligen Haufen zu einer Besprechungsrunde. „Carla, du warst zu spät beim Reinrennen“, tönt eine hohe Mädchenstimme aus dem Pulk heraus während Gabriel gerade versucht die nötige Vitalität für die sogenannten tänzerischen Körperexplosionen zu demonstrieren. Nachdem anscheinend jeder Klarheit aus dieser Gesprächsrunde gezogen und dies mit einem bedeutungsvollen Nicken bestätigt hat, geht es endlich mit dem Tanzen los.
Im Stück selbst geht es um die Entwicklung von jeglicher Art von Energie innerhalb der Gruppe und um die Bewegung selbst. Als die Musik der instrumentellen Band Bukahara einsetzt, stehen die Tänzer schon in Reihen verteilt inmitten des Raumes und fangen an, ihre Bewegungen langsam zu steigern. Am Anfang scheint bis auf kleine Körperbewegungen nicht viel zu passieren, doch als die Körperexplosionen einsetzten, fühle ich die geballte Energie sogar auf meinem Stuhl am Rande der Tanzfläche. Es beginnt ein lebendiges, sich räkelndes Bewegungsintermezzo, worin jeder Tänzer seine eigene individuelle Rolle tanzt. „Konzentriert euch auf euch selbst“, ruft Choreograph Gabriel, als die neugierigen Blicke auch mal auf den Nachbarn fallen, um zu sehen, was der so treibt. In dem insgesamt 25 Minuten langen Zusammenspiel aus Gruppenchoreographien und Soli behält zwar jeder Tänzer seinen eigenen Stil bei, trotzdem scheint die Gruppe nach einem gemeinsamen, geheimen Rhythmus zu tanzen.
„Wir erfinden hier jeder unsere eigene Bewegungssprache“, sagt Sophia, „so eine Tanzgruppe gibt es glaube ich nur einmal in Berlin.“ Genau diese Einzigartigkeit und das außergewöhnlich hohe Niveau, auf dem sich die sieben- bis elf-Jährigen befinden, hat auch die Jury des bundesweiten Wettbewerbs überzeugt und dazu veranlasst, das Ensemble einzuladen. Sechs weitere Gruppen haben den Sieg errungen und dürfen ihre Stücke beim Tanztreffen auf der großen Bühne des Festspielhauses vorführen. Tagsüber sollen verschiedene Tanzworkshops laufen, damit auch die Tänzer etwas Neues erleben können.
Die Sasha Waltz-Minis heben sich durch ihr junges Alter von den Anderen ab. Auf die Frage, ob sie aufgeregt seien, antworteten sie jedoch mit einem einstimmigen: „Nö!“. Gabriel fügte mit einem Lächeln hinzu: „Die haben kein Lampenfieber. Das Tanzen gibt ihnen unglaublich viel Selbstvertrauen.“
Um das Stück überhaupt aufführen zu können, musste es erst entwickelt werden. Als Basis diente die experimentelle, genreübergreifende Musik der Band Bukahara, die mit ihrer internationalen Besetzung gut zum experimentellen Stil der Gruppe passt. „Gabriel nimmt die Bewegungen der Kinder während den Improvisationsessions auf und baut daraus ein Stück. Dadurch zeigen die Kinder auch viel von sich selbst beim Tanzen“, beschreibt die Organisatorin Stephanie Ott den Entstehungsprozess, der ungefähr im März diesen Jahres begann.
Generell sind Improvisation und freie Bewegung wichtige Bausteine. So meint Carla, es sei zwar ein Grundskelett vorhanden gewesen, aber das Fleisch des Stückes hätte die Gruppe dazuimprovisiert. Diese extrem bildliche Darstellung findet bei allen Zustimmung: „Ich glaube, wir alle lieben das Improvisieren. Wir sind eine Improvisationsgruppe“, sagt Sophia.
Auch wenn alle Mitglieder der Kindertanz-Compagnie fast süchtig nach dem Tanzen zu sein scheinen, wollen nicht alle von ihnen es später mal als Beruf ausüben. Manche wollen etwas in die Richtung studieren, andere wollen lieber „etwas mit den Händen schaffen“, wie Clara es formuliert. Die Karriere steht nicht im Mittelpunkt. „Mein Ziel ist es, sie zu Tänzern im Herzen zu machen statt ihnen eine Tanzkarriere in den Kopf zu setzen. Kreativität und Flexibilität sollen sie im Leben weiterbringen“, sagt Gabriel. Trotzdem merkt man allen im Raum an, wieviel ihnen das Projekt, die Leute und das Tanzen bedeuten. Die Gruppe sei wie eine zweite Familie, sagen viele. „Man fühlt sich hier geborgen“, sagt Bruno, denn die Leute seien nicht so mit Klischees übers Tanzen zugestopft. Diese Kinder zeigen dem Publikum, dass Tanzen alles sein kann, mehr als nur Ballet oder HipHop.
Alina Mohaupt, 16 Jahre