Josephine Valeske warnt davor, Rassismus mit Vorsicht zu verwechseln.
Es gab mal eine Stunde im Kunstunterricht, in der wir Fantasietiere zeichnen sollten. Heraus kamen viele rosa Einhörner, Knuddelbären und starke Löwen. Ich war schlecht drauf und malte ein Monster, eines der kinderverschlingenden Sorte. Das brachte mir einige schräge Blicke und Kommentare ein, sonst zog es glücklicherweise keine Konsequenzen nach sich. Anders wäre es wohl gewesen, lebte ich in den Vereinigten Staaten, trüge einen muslimischen Namen und hätte dunkle Haut. Ich kann es mir bildhaft vorstellen – Polizisten, die mich aus dem Unterricht geleiten, überzeugt, das Kindergekrakel wäre die Androhung eines Amoklaufes.
In den USA scheint die Angst vor islamistischen Anschlägen inzwischen ein Ausmaß erreicht zu haben, das nicht einmal mit der Angst der Deutschen um ihr Auto vergleichbar ist. Dadurch kommt es zu haarsträubenden Szenen, die fast schon als lachhaft zu bezeichnen wären, würden sie nicht widerspiegeln, wie hartnäckig sich rassistische Vorurteile in der Bevölkerung halten: Vor wenigen Tagen brachte der 14-jährige Ahmed eine selbst gebastelte Uhr in den Unterricht seiner texanischen Schule und wurde prompt in Handschellen aus der Schule geführt, stundenlang verhört und festgehalten – denn als die Erfindung in der Stunde piepte, glaubte die Lehrerin, es sei eine Bombe. Ahmed durfte drei Tage nicht mehr zur Schule gehen und wurde angezeigt. Resultat: Er will nie wieder eine Erfindung mit zur Schule bringen.
In den sozialen Netzwerken finden sich Kommentare, in denen die Achtsamkeit der Lehrerin gelobt wird. Sicher, vielleicht sollten wir alle aufmerksamer sein und unser Umfeld kritischer betrachten. Apropos. Gibt es da nicht diese eine Schülerin, die täglich denselben Anhänger an der Halskette trägt? Vielleicht ist das eine Minikamera, mit der al-Kaida Details über die Verhaltensweisen deutscher Schüler sammelt?
Liebe US-Amerikaner: Achtsamkeit ist gut. Paranoia, gemischt mit Rassismus, ist dämlich. Und eine Gesellschaft, in der jeder jedem misstraut, ist keinesfalls lebenswert.
Josephine Valeske, 19 Jahre
Hat die Lehrerin richtig gehandelt? Oder ist sie zu weit gegangen und hätte zunächst das Gespräch mit dem Schüler suchen sollen? Diskutiert mit uns!