Emine Özdamar schildert in der Bücherfabrik ihr Fremdheitsgefühl zwischen zwei Sprachen und Kulturen
Bunte Bücher stapeln sich bis zur Decke, warmes Licht und duftende Suppe geben einem das Gefühl, richtig hier zu sein. Am 17. Oktober stellte die 1946 in Malatya (Türkei) geborene Schriftstellerin Emine Özdamar in der Berliner Bücherfabrik zwei ihrer Werke vor: „Die Brücke zum goldenen Horn“ und „Seltsame Sterne starren zur Erde“, in denen sie ihre Wahrnehmung Deutschlands in den 1960er- und 70er-Jahren darstellt.
Während Emine Özdamar vorgestellt wird, nippt sie an ihrem Tee. Wenig später beginnt sie zu lesen und es zeigt sich die Wirksamkeit ihrer Worte: Sie schweben im Raum und formieren sich zu großen, lebendigen Bildern, die gleichermaßen bewegend und einfühlsam, selbstironisch und komisch sind. Özdamar gelingt es, ihr eigenes Fremdheitsgefühl auf humorvolle Art zu schildern. Ob deutsche Hippiekommune oder Sprachlosigkeit beim Brotkauf – es bewegt sie, welche Bedeutung Worte entwickeln können. Sie erinnert sich an ihre Zeit an der Ostberliner Volksbühne, an der man „Warmherzigkeit statt Konsum“ praktizierte und die für Özdamar eine Insel starker Regimekritik darstellte.
Ihre Begeisterung für das Theater zeigte sich früh. Während sie schon als junges Mädchen auf der Bühne stand, interessierte sie der Schulstoff nur wenig. „Werde doch lieber Anwältin. Das ist Schauspielerei ohne Verhungern!“, schlug ihre Mutter vor.
Nach der Erfahrung der Entwurzelung und durch den Umzug nach Deutschland wird das Schreiben für sie zum Sehnsuchtsstiller: Sehnsucht nach der Heimat, Sehnsucht nach „geliebten Toten“, die so zum Leben erweckt werden können. „Vielleicht sind die türkischen Worte krank geworden.“ Mit diesem Satz versucht sie zu erklären, warum sie stets auf Deutsch und nie in ihrer Muttersprache schreibt. Emine Özdamars Umgang mit Sprache bereichert das Deutsche. Sie erzählt Geschichten, die eine Welt bedeuten. Ihre ganze Welt.
Leyla Sophie Gleissner (21 Jahre)
Emine Özdamar wurde für ihre Arbeiten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2012 erhielt sie den Alice-Salomon-Poetik-Preis.