Vivian Yurdakul lobt Senator Zöllner für dessen Idee, Vereine an die Schulen zu holen.
Nach fast vier Jahren als Bildungssenator dürfte Jürgen Zöllner (SPD) inzwischen einiges an Kritik gewöhnt sein. Auch jetzt muss er sich wieder auf eine Welle der Empörung einstellen. Denn künftig – so haben es der Senator und der Landesjugendring Berlin am ersten „Runden Tisch Jugend“ kürzlich beschlossen – sollen gemeinnützige Vereine, in denen sich Jugendliche ehrenamtlich engagieren, einen Teil der Nachmittagsbetreuung an Ganztagsschulen übernehmen. So könnte zum Beispiel bald ein Sportverein, in dem Jugendliche ehrenamtlich Jüngere trainieren, einmal in der Woche Mitglieder an eine Schule schicken, um mit den Schülern Sport zu treiben.
Für diese Idee muss sich der Senator nun viel Kritik anhören. Ihm wird vorgeworfen, er wolle Lehrer sparen, um den Bildungshaushalt zu entlasten und deshalb die Betreuung der Schüler an Vereine auslagern. Dabei übersehen Zöllners Kritiker allerdings die große Chance, die das Modell bietet: Ehrenamtliches Engagement ist bislang vor allem eine Sache, der sich Jugendliche aus höher gebildeten Elternhäusern widmen. Meist sind es die Eltern, die ihre Kinder dazu animieren, nachmittags nicht zu Hause zu sitzen, sondern sich einen Verein zu suchen, um auch nach der Schule etwas Sinnvolles zu tun. Indem Zöllner die Vereine an die Schulen holt, sie quasi zum Teil des Schulalltags macht, schafft er die Möglichkeit, auch Jugendliche aus den sogenannten bildungsfernen Haushalten an ehrenamtliche Tätigkeiten heranzuführen.
Wenn das funktioniert, hätte Zöllner zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Trotz der Einführung der Ganztagsschule hätte er den Bildungsetat entlastet. Gleichzeitig hätte er nicht nur verhindert, dass das ehrenamtliche En gagement Jugendlicher zurückgeht – obwohl diese mit der Umstellung auf die Ganztagsschule künftig viel weniger Freizeit haben werden als bisher. Er hätte das ehrenamtliche Engagement sogar noch gefördert. Über den Anklang, den seine Pläne am „Runden Tisch Jugend“ fanden, wunderte sich der kritikgewohnte Bildungssenator selbst: Nachdem er den Journalisten sein Konzept vorgetragen hatte, lobte er die Anwesenden für eine „Pressekonferenz, auf der der Bildungssenator mal nicht beschimpft wurde.“ Dazu gab es aber auch wirklich keinen Grund. (Vivian Yurdakul, 20 Jahre)