Unsere Jugendredakteurin bringt Flüchtlingen Deutsch bei – und lernt dabei selbst dazu
Ich bin gegen Assad.“ Ali schaut mich fragend an, er ist sich nicht sicher, ob er einen Fehler gemacht hat. Für einen Moment bin ich aus dem Konzept gebracht, dann nicke ich: „Ja, richtig, Ali!“
Es ist Montagabend im Erstaufnahmelager für Asylsuchende in der Motardstraße, Berlin-Spandau. Ich sitze mit fünf Syrern an einem Tisch, vor mir auf einem etwa A3-großen Whiteboard habe ich Präpositionen notiert. Gerade hat Ali einen Beispielsatz mit der Präposition „gegen“ gebildet.
Seit ein paar Monaten engagiere ich mich ehrenamtlich bei Multitude, einem Verein, der sich für die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten in Berlin einsetzt. Wir organisieren vor allem Deutschunterricht und Kinderbetreuung in Asyllagern, aber auch verschiedene Freizeit- und Hilfsangebote für Geflüchtete. An guten Abenden sind wir etwa acht Lehrkräfte und drei Kinderbetreuerinnen. Dann können wir kleine Lerngruppen bilden und auf Fragen eingehen. An anderen Tagen kommen bis zu zehn Schüler auf eine Lehrkraft und es gibt keine Kinderbetreuung. Dann ist es schwer, einen guten Unterricht zu machen.
„Ich fühle mich hier sicher“, antwortet Jwan auf meine Frage, wie es ihm in Deutschland ergeht. Sicher. Nicht willkommen, nicht geduldet, nicht fremd, sondern sicher. Hassan, den ich noch nie schlecht gelaunt erlebt habe, sondern immer nur hilfsbereit und optimistisch, zeigt mir seinen Facebook-Account: Zwischen Essensbildern mit arabischen Kommentaren sehe ich das zerstörte Syrien, IS-Flaggen und Kriegsbilder.
Beim Deutschunterricht vergesse ich oft, dass meine Schüler Geflüchtete sind. Ich freue mich über ihre Fortschritte und lerne von ihnen, was das Zuckerfest ist, mit welchen Zutaten sie kochen und natürlich, wie unlogisch Deutsch ist. Es sind Sätze wie „Ich fühle mich hier sicher“, die mich immer wieder aufrütteln und berühren. Und sie beschämen mich auch. Weil es so leicht ist, sich zu engagieren, und weil wir immer noch nicht genug tun.
Laut ARD Monitor will die Europäische Union, um Fluchtursachen zu bekämpfen, in Zukunft enger mit autoritären Regimen wie denen in Eritrea und im Sudan zusammen-arbeiten und das „Grenzmanagement“ in diesen Ländern verbessern. Ein besseres „Grenzmanagement“ wird aber nicht helfen, dass Menschen sich in autoritären Regimen sicherer fühlen. Sie werden auch Menschen wie Ali, die als Regierungsgegner verfolgt werden, nicht daran hindern, in anderen Ländern Schutz zu suchen.
Alis Beispielsatz „Ich bin gegen Assad“ ist ein einfacher Hauptsatz aus Subjekt, Prädikat und Präpositionalobjekt. Für mich ist er jedoch mehr als das. Für mich ist er eine Erinnerung daran, warum Flüchtlinge nach Deutschland kommen, und eine Aufforderung dazu, ihnen mehr zu helfen.
Von Cordula Kehr, 23 Jahre
Mehr Informationen zum Berliner Verein Multitude findet ihr unter www.multitude-berlin.de