Young Euro Classic ist ein Schulprojekt in Kooperation mit dem Internationalen Literaturfestival Berlin.

Young Euro Classic: Berliner Schüler*innen schreiben bewegende Texte über Europa

Viktor in der Unterwelt

von Nuel Negusr

Es ist kalt, dunkel und feucht. Überall nur Bäume. „Wie bin ich hier her gekommen?“ fragt sich Viktor, „was mache ich plötzlich hier im Wald? – Oh Gott! Und was ist das da?“ Erschrocken starrt er auf etwas, das sich bewegt und drohend knurrt. Eine Bestie steht da, bereit zum Sprung, und sie fletscht die Zähne. Viktor kann sie kaum erkennen, und doch kommt sie ihm bekannt vor. Dieses Vieh sieht aus wie …. – ja, es hat das Gesicht von Ursula von der Leyen. Aber vor der hat er noch nie Angst gehabt. Jetzt zittert er. Was hat das alles zu bedeuten? „Willkommen in der Unterwelt, Viktor“, ertönt da plötzlich eine Stimme aus dem Nichts. – „Was soll das? Was mache ich hier? Wer hat mich hierhin gebracht?“ – „Es hat gereicht, Viktor“, dröhnt da wieder die Stimme, „Nicht nur, dass Du über Europa fortwährend lästerst. Du hast seine elementaren Werte mit Füßen getreten, und Du hast Dich bereichert an dem Geld, das eigentlich Deinem Land helfen sollte, wieder ein blühendes und starkes Ungarn zu werden.“. – „Mein gutes Recht, ich bin gewählt“, trumpft Viktor auf, „das ist noch lange kein Grund, mich hierher zu verschleppen“. – „Es ist Deine letzte Chance, Dich zu läutern“, antwortet die Stimme, „wenn Ursula Dich nichtn zerfleischen soll, dann sieh schnell zu, dass Du dahinten durch das Tor verschwindest.

Hinter dem Tor hört Viktor Schreie, viele Schreie, schmerzerfüllte Schreie, und trotzdem: Das Vieh macht ihm Angst. Da tritt er lieber durch das Tor. „Du bist hier im ersten Zirkel der Hölle“, meldet sich die Stimme. „Hier landen alle, die sich auch nicht an solche Abmachungen halten wollen, die sie selbst mit getroffen haben, und die zum Beispiel in der EU bleiben wollen, aber ihre Regeln ablehnen“. Das Geschrei hier geht durch Mark und Bein, und noch ist da eine lange Schlange von Leuten, die auf ihre Behandlung warten. Und da am Ende, kennt er den nicht sogar? „Boris, sind Sie das?“. Die Person dreht sich um, und tatsächlich: Es ist Boris Johnson. „Hello Viktor! Auch hier? Hab ich doch immer gesagt, dass wir nicht die einzigen bleiben“. – Viktor nimmt das kaum zur Kenntnis: „Sagen Sie mal: Warum sind sie so entspannt? Kriegen Sie nicht mit, was hier los ist? Sie stehen im Vorhof der Hölle!“ – „Oh Buddy, mir wurde gesagt, dass ich hier im ersten Zirkel lande, wie alle, die zum Beispiel ohne die Regeln der EU leben wollen. Das ist doch genau das was ich will. Ist doch allemal bessert als die EU. Oder?

Während Viktor noch darüber sinniert, ob das wirklich eine Frage war, wird er durch eine Pforte geschoben. „Häh, was ist das jetzt?“. Vor ihm liegt ein brauner Sumpf. „Das ist der zweite Zirkel, der Morast der Wut“, meldet sich die Stimme, „wenn Du ans andere Ende willst, musst Du ein Boot nehmen“. Viktor rudert los. Aber wieso sind hier keine Menschen? Plötzlich greift eine Hand aus dem Sumpf nach ihm. „Was ist das? Wer bist Du?“ schreit Vik-tor. „Sie nennen uns Rechtsextremisten oder Nationalisten“, antwortet es aus dem Sumpf. „Ja, es stimmt, wir hassen die EU. Komm doch zu uns. Du denkst doch genau wie wir, Du passt zu uns“. Viktor schaudert es. Mit diesem braunen Pack will er sich nun auch wieder nicht sehen lassen. Nur weiter.
Viktor dachte immer, in der Hölle sei es heiß. Aber nun plötzlich friert er. Vor Angst. Seine Füße sind wie Eisklumpen. Und wieder meldet sich die Stimme: „Hier bestraft Satan selbst all jene, die Europa betrügen und verraten. Bist Du bereit, Deine Strafe zu empfangen?“ – „Nein. Ich will nicht. Ich bin überhaupt nicht bereit. Wieso soll ich eine Strafe hinnehmen, nur weil ein paar Analphabeten mir Macht verliehen haben. Ich will nicht in die Hölle. Ich will einfach nur ein Europa haben, wie ich es mag, mit viel Geld, aber ohne Vorschriften, ohne Werte, wo ich machen kann, was ich will“. Viktor schlottert, aber er will sich nicht unterkriegen lassen.
„Warum hast Du das nicht gleich gesagt“, ruft die Stimme, „dann kriegst Du eben, was Du willst, ewigen Urlaub, in Deiner ganz persönlichen Hölle“.

Und ehe er sich’s versieht, findet sich Viktor in einer schäbigen Hütte wieder. Überall Scherben, lose Bretter und Staub. Als er hinauskriecht, traut er seinen Augen nicht: Eine triste Einöde, wo früher das schöne Budapest lag. Es ist glühend heiß, Menschen prügeln sich. Es gibt nicht mal Wasser. Am Himmel kreist nicht sehr hoch ein Flugzeug, die Aufschrift kann Viktor gut lesen: „Humanitarian Aid, Air Force of China“.

Ach scheiße…

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