Frieren mit dem Publikum

 

 

 

Der Musiker Rob Longstaff hat viele Fans, verkauft viele CDs – und spielt am liebsten auf der Straße

Von Johanna Siebert, 18 Jahre

 

Ein bisschen Latin und Funk, ein wenig Soul und viel Pop. Diesen außergewöhnlichen Klang kann man schon von Weitem hören. Lieder wie „Chimney Head“ oder „Boogaloo“ bringen Sonntagsbummler im Mauerpark trotz der Kälte zum Stehenbleiben. Hier und da wird getanzt, gesungen oder im Takt genickt, während der eine oder andere den Urheber der Klänge filmt. Die Videos wird man später unter Titeln wie „Amazing busker at Berlin-Mauerpark“, zu Deutsch etwa „toller Straßenmusikant im Berliner Mauerpark“, oder „Rob Longstaff – unglaublich talentierter Straßenmusiker“ im Internet finden.

Egal wo Rob Longstaff spielt, am Boxhagener Platz, am Alexanderplatz oder im Mauerpark, sein Publikum ist immer begeistert. Man möchte kaum glauben, dass die unheimlich präzisen und eindrucksvollen Klänge aus der alten sehr mitgenommenen Gitarre kommen, die er über der Schulter trägt. Sprünge und Risse sind größtenteils mit Gaffa-Tape geflickt und dennoch erfülle sie ihren Zweck hervorragend, meint ihr stolzer Besitzer. Überall auf der Gitarre stehen Namen. Er habe sie von Menschen überall auf der Welt unterschreiben lassen, und obwohl er eine neue Gitarre besitze, ziehe er dennoch lieber mit seiner alten Reisegefährtin durch die Straßen Berlins.

Eingemummelt in dicken Winterklamotten verausgabt sich der Sänger hinter seinem Mikrofon. Souverän steht er da, bereits bekannte Gesichter grüßt er lächelnd, das Publikum bringt er mit lockerem Charme zum Lachen. Der Australier mit starkem Akzent ist seinen Zuschauern sichtlich sympathisch. Der Spaß, den er beim Spielen hat, überträgt sich auf sein Publikum.

 

Spielen mit tauben Fingern

Rob Longstaff gilt unter seinen Fans als Ausnahmetalent und ist längst ein bunter Hund in der Berliner Straßenmusiker-Szene. Seine CDs, die von einem kleinen australischen Label produziert werden, verkaufen sich rasend schnell.

Obwohl er oft in größeren Locations spielt, regelmäßig zu Jam-Sessions geht und seine Facebook-Seite rund 1 260 Fans hat, ist Rob Longstaff auch das ganze Jahr über auf öffentlichen Plätzen zu sehen. „It makes me feel tough“, sagt er, außerdem sei es ein gutes Training. Nach einer Weile spüre man seine Finger nicht mehr, dann müsse man die Saiten nach dem Gedächtnis greifen. „Im Frühling merke ich das dann. Ich verspiele mich deutlich seltener.“

Vor vier Jahren ist Rob Longstaff nach Berlin gekommen. Damals war er mit einer Band auf Tournee und beschloss spontan, in der deutschen Hauptstadt zu bleiben. Er sei gerne hier und genieße die Atmosphäre und die interessanten Menschen. „Eine Stadt, die so viel Traurigkeit durchlebt hat, kann nicht anders, als so lebhaft und fröhlich zu werden wie Berlin.“

Außerdem liebe er Berlin für seine vielen Fahrradfahrer. Er selbst fahre bei jedem Wetter, erst recht, wenn viel Schnee liege, sagt er mit einem schelmischen Lächeln. „Es ist eine Herausforderung, schnell zu fahren und trotzdem nicht auszurutschen.“

Tatsächlich sieht man Rob Longstaff immer in Begleitung eines Fahrrads, meistens mit Anhänger für sein Equipment. „Es ist perfekt. Ich komme überall hin, kann mein ganzes Zeug mitnehmen, zahle nichts, schone die Umwelt und halte mich dabei noch fit.“

Seit zwei Jahren lebt der Australier in einem Wohnwagen, geht auf dem Teufelsberg snowboarden und reist um die halbe Welt. „Manchmal sollte man mich nicht zu ernst nehmen. Wenn Dinge kompliziert werden, verlier ich schnell die Lust“, sagt er, „I’m a highly motivated quitter, you know“, er sei hoch motiviert, wenn es darum gehe, Dinge abzubrechen. Das gilt auch für die deutsche Sprache, „ein bisschen“ sei eines der wenigen Wörter, die er kenne. „Ich bin einfach nur faul, jeder hier spricht so gut Englisch, da fehlt einem irgendwie der Ansporn“, sagt er entschuldigend und zuckt mit den Achseln.

Robs Longstaffs Songtexte sind humorvoll. In „Number Through the Wash“ singt er etwa über einen Zettel mit der Nummer eines Mädchens, den seine Mutter zusammen mit der Jeans gewaschen hat. „In vielen meiner Lieder geht es um Liebe und darum, dass Liebe scheitert, damit kenne ich mich aus“, sagt er mit einem ironischen Lächeln. Aber da sind auch Lieder wie „Change“, das zum Umdenken auffordert und an das Umweltbewusstsein appelliert.

 

Selbst gebastelte CD-Cover

Überhaupt ist ihm die Umwelt ein wichtiges Thema. Rob Longstaff schwört auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Cover seiner CDs schneidet er selbst aus Karton aus, er fährt Fahrrad und vermeidet das Fliegen so oft wie möglich. Allerdings sei hier die Umwelt nicht der einzige Grund für seine Abneigung gegen die schnellste Art des Reisens, sondern auch das dadurch verloren gehende Gefühl für Zeit und Entfernung. „Ich finde, die Menschen sollten merken, wie weit die andere Seite der Welt tatsächlich entfernt ist, und die verschiedenen Länder und Kulturen erleben, die sie durchreisen.“

So machte sich Rob Longstaff 2010 mit einem Freund auf den Weg nach Australien. In eineinhalb Monaten reiste er mit dem Liegerad bis nach China, von dort aus mit dem Zug, per Mitfahrgelegenheit und schließlich mit der Fähre ins Land der Kängurus. Anfang dieses Jahres wird der Australier in Russland auftreten. Auch hier weigerte er sich zu fliegen und bat den Veranstalter, stattdessen mit dem Zug fahren zu dürfen.

Um sein Hostel zu „bezahlen“, hat Rob Longstaff dort regelmäßig Auftritte. Ihm gefalle dies besonders, es sei ein Tauschgeschäft, freundschaftlicher als ein bloßer Geldwechsel.

Wenn Rob Longstaff in Bars oder Clubs auftritt, bittet er darum, die blendenden Scheinwerfer auszuschalten, er möchte sein Publikum anschauen, sehen, zu wem er singt, wie die Leute reagieren. Das sei auch einer der Gründe, warum er gerne auf öffentlichen Plätzen spiele. „Es ist viel persönlicher, das Publikum und ich stehen auf einer Ebene und ich kann die Leute direkt anschauen. Oft sehe ich bekannte Gesichter.“ Auf die Frage, wie die Kälte im Winter auszuhalten sei, zuckt er mit den Schultern, lächelt und sagt: „Ich friere ja nicht mehr als die Leute, die stehen bleiben und mir zuhören.“

 

Eine Kostprobe von Rob Longstaffs Musik ist in dem Tatort „Machtlos“ am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD zu hören. Er ist als Straßenmusiker auf dem Alexanderplatz zu sehen, seine Musik begleitet die ersten Szenen.

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Kategorien Konzerte Kultur

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