"Man muss halt machen, was man kann"

Leslie mit ihrer Ukulele. Foto: privat

Die Spreewild-Redaktion traf die 17-jährige Berlinerin Leslie Fried, die als Singer/Songwriter mit ihrem Lied „Getting Drunk on Water“ gerade als Nachwuchstalent zum Treffen Junge Musik-Szene eingeladen wurde und am Freitag zusammen mit den anderen Preisträgern ein Konzert im Jazzclub Quasimodo gibt.


Von Johanna Siebert, 17 Jahre


„Das da drüben ist mein Lieblingscafé“, sagt Leslie Fried und zeigt auf die andere Straßenseite. „Man kann am Fenster sitzen und auf die Straße schauen.“ Doch heute ist es geschlossen, wie so oft in letzter Zeit. „Ich glaube, der Besitzer geht pleite“, sagt die 17-jährige Berlinerin. Schweigend beobachtet sie, wie der Regen gegen das Fenster prasselt. „Die meisten Lieder schreibe ich im Herbst, wenn es kalt wird und man viel Zeit drinnen verbringt“, sagt sie.



Das aufgeschlossene Mädchen mit den langen Locken bekommt Gesangsunterricht, seit sie 14 Jahre alt ist, und das war auch der Zeitpunkt, als sie anfing, die Texte aufzuschreiben, die ihr durch den Kopf geisterten. Drei Jahre später hat sie mit ihrem Song “Getting Drunk on Water“ einen Preis beim Treffen Junge Musik-Szene (tjm) der Berliner Festspiele gewonnen und wird am 9. Dezember 2011 zusammen mit den anderen Siegern ein Konzert im Berliner Jazzclub Quasimodo geben.



Durch den Hinweis einer Freundin, die ebenfalls singt, ist Leslie auf die Idee gekommen, am tjm teilzunehmen. Eigentlich wollten die beiden sich schon im vergangenen Jahr bewerben, verpassten aber die Einsendefrist. „Dieses Jahr wäre das fast wieder passiert. Zwei Tage vor Einsendeschluss habe ich meine Bewerbung abgeschickt“, sagt Leslie.



Das Konzert ist beim tjm Teil eines fünftägigen Workshops, bei dem die Gewinner sich mit ihrer und der Musik der anderen Talente auseinandersetzen und gemeinsam ihren künstlerischen Horizont erweitern. Dass das Konzert den Beginn der Workshop-Phase markiert, findet Leslie komisch. „Wir werden gefilmt und müssen unsere Auftritte dann bestimmt gegenseitig analysieren“, vermutet sie. Sehr aufgeregt ist sie, auch wenn sie in ihrem Leben schon einige Auftritte absolviert hat: „Mehr als 20 Leute hatte ich noch nie im Publikum, und man will sich ja auch nicht blamieren!“



Unter den verschiedenen Workshops des tjm durften sich die Teilnehmer jeweils drei aussuchen. Leslie hat Gesangsperformance und Chor gewählt, doch am meisten freut sie sich auf den Workshop, in dem man lernt, aus Ideen Songs zu machen. Denn Lieder so zu schreiben, dass man sie selbst auch noch ein paar Tage später gut findet, sei gar nicht so einfach, sagt sie.



Neben dem Gesangsunterricht bringt sich Leslie das Gitarre-, Ukulele- und Klavierspielen selbst bei. Normalerweise begleitet sie sich mit der Gitarre, beim Konzert am Freitag wird sie allerdings Klavier spielen. „Da fühle ich mich einfach sicherer, wenn ich aufgeregt bin“, sagt sie. Auch Querflöte hat Leslie vor einigen Jahren gespielt, und wenn sie heute das Orchester ihrer Schule spielen hört, tut es ihr doch manchmal leid, dass sie aufgehört hat.



„Getting Drunk on Water“ – die Frage, wie sie auf diesen Titel gekommen ist, kann Leslie nicht beantworten. „Als ich das geschrieben habe, mochte ich einfach den Klang. Es geht um etwas, das gut ist, aber wenn man davon zuviel hat, wird es schlecht. Die erste Strophe beschreibt einen sehr guten Tag, die zweite einen schlechten.“ Innerhalb von drei Tagen hatte sie den Song fertig – zuerst die Begleitung, die durch Geklimper auf der Gitarre entstand, dann den Text. „Die Melodie hat sich von ganz alleine entwickelt.“



Leslie geht zurzeit in die elfte Klasse und lernt Latein, Französisch und Englisch. Früher habe sie auch noch Chinesischunterricht gehabt, was unglaublich schwer sei, sagt sie. Schließlich hat sie aufgehört: „Es ist einfach deprimierend, wenn man nach zwei Jahren Unterricht nur noch weiß, was ‚Ich liebe dich’ und ‚Ich mag Fleisch’ heißt.“ Nach dem Abitur möchte sie nach Afrika gehen, um dort zu helfen, Schulen aufzubauen. „Ich möchte etwas Sinnvolles machen und nicht nur irgendwo chillen“, sagt sie. Studieren möchte Leslie auch, sie wisse nur noch nicht was. „Vielleicht Journalismus“, sagt sie. Singen will sie später jedoch nur als Hobby, da ist sie sich sicher. „Ich weiß einfach nicht, ob es mir als einziger Beruf reichen würde, und außerdem würde ich mir das Singen vielleicht durch den Druck kaputt machen“, sagt sie. „Trotzdem freue ich mich total, dass ich beim tjm mitmachen konnte. Aber es ist nicht so, dass ich denke, ich hätte jetzt den großen Durchbruch.“



Früher war Wir sind Helden Leslies Lieblingsband, heute sind es Radiohead und Beirut. „Ich stehe auf Punk&Wave, obwohl meine eigene Musik so ganz anders ist. Aber man muss halt das machen was man kann“, sagt sie lächelnd. „Wenn ich mit meiner Stimme Punk machen würde …“, sie unterbricht sich selbst und muss bei dieser Vorstellung lachen.


Mehr Infos zum tjm und den Preisträgern bekommt ihr hier.



Die neue Wettbewerbsrunde zur Teilnahme am tjm 2012 beginnt wieder im März 2012. Hier findet ihr alles, was ihr wissen müsst.

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Kategorien Kultur

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