Stundenpläne wie Managerkalender

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Für weniger Schulstress und mehr Freizeit gingen im vergangenen Sommer in Stuttgart sogar schon Schüler auf die Straße.
Foto: DPA/Bernd Weissbrod

Ganztagsschule, Schulzeitverkürzung – der Druck auf die Schüler wächst. Das Bewusstsein dafür zum Glück auch.

 

Montag ist Julias entspannter Tag. „Ich habe bis drei Uhr Schule, danach gehe ich nach Hause, esse etwas und fahre zum Klavierunterricht“, erzählt die 18-jährige Schülerin. Der Dienstag ist schon anstrengender. Der Schultag ist länger, anschließend hat sie Fahrstunden. Mittwochs besucht sie nach der Schule eine AG, auf die sie sich meist vorher vorbereiten muss. Der Donnerstag ist der schlimmste Tag. „Ich habe von der nullten bis zehnten Stunde Unterricht und danach zwei Stunden Chorprobe. Wenn ich dann abends noch Hausaufgaben machen muss, bin ich völlig erledigt“, sagt Julia. Freitags hat sie dafür wenigstens in der ersten Stunde frei und am Nachmittag nur noch Fahrschule.

 

Die Wochenenden nutzt Julia, um sich mit Freunden zu treffen, Hausaufgaben zu erledigen und sich vor allen Dingen auszuruhen – von einer Woche, wie sie inzwischen viele Jugendliche haben: mit ausgebuchtem Terminkalender. Julia besucht die 11. Klasse und ist mitten in der Qualifikationsphase für das Abitur. Durch die Umstellung von drei auf zwei Jahre Prüfungsvorbereitung hat sich der Druck wesentlich erhöht.

 

Auf den Schulhöfen fällt immer häufiger das Wort „Burn-out“ – ein Begriff, den Klaus Seifried, Leiter des Schulpsychologischen Beratungszentrums Tempelhof-Schöneberg, in diesem Zusammenhang jedoch kritisch sieht. „Allerdings hat sich der Leistungsdruck auf Kinder und Jugendliche erhöht. Die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Depressionen oder Ängsten nimmt zu.“ Eltern spüren gestiegene Leistungsanforderungen am eigenen Arbeitsplatz und geben diese an ihre Kinder weiter. Der Erwartungsdruck steigt. Gymnasiasten litten zudem unter der Verdichtung des Abiturstoffs durch die Verkürzung der Schulzeit. Um an Universitäten aufgenommen zu werden, braucht man bessere Noten als früher. Und auch wer das Abitur nicht machen möchte, muss tendenziell mehr leisten als früher. „Früher brauchte ein Kfz-Mechaniker einen Hauptschulabschluss. Heute muss es mindestens ein guter Mittlerer Schulabschluss sein“, so Seifried. Überdies könnten auch Hobbys zum Problem werden. „Wenn die Eltern wollen, dass ihre Kinder auf dem Fußballplatz oder in der Musikschule immer die Besten sind, kann selbst etwas, das eigentlich der Entspannung dienen soll, zur Last werden.“

 

Allerdings gibt es auch gute Nachrichten: Jugendliche, die von psychischen Problemen betroffen sind, werden dem Fachmagazin Ärzte Zeitung Online zufolge heute häufiger behandelt als früher. Die Aufmerksamkeit für das Thema ist größer geworden. Dass überm..iger Leistungsdruck als Thema auch an Schulen angekommen ist, zeigt der Theaterkurs des Oberstufenzentrums für Kommunikations-, Informations- und Medientechnik (OSZ) im Wedding. Am Mittwochabend hat dessen Stück „Nightmare on Almstreet“ in den Räumen des OSZ Premiere. Es handelt von einem ausgebrannten Workaholic, dem Zwangsurlaub verordnet wird. Dabei kommt es nicht zur gewünschten Entspannung, sondern zur Auseinandersetzung mit der Krankheit. Hätte vor ein paar Jahren ein Theaterkurs ein Stück wie dieses auf die Bühne bringen wollen, wäre das wahrscheinlich daran gescheitert, dass die Lehrer entschieden hätten, der Jugendbezug sei nicht gegeben. Auf diese Idee kommt mittlerweile niemand mehr.

 

(Von Aniko Schusterius, 17 Jahre)

 

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Kategorien Schule Schule & Zukunft

90er-Kid, Bücherwurm, Weltenbummler. Ich liebe Musik und das geschriebene Wort. Letzteres kann man von mir seit 2012 hier lesen. Meine große Leidenschaft gilt dem Theater, das mich mehr als alles andere fasziniert. Wenn ich durch die Straßen Berlins laufe, kommt mir das Leben vor wie eine Aneinanderreihung vieler kleiner Inszenierungen, deren Geschichten alle festgehalten werden wollen. So inspiriert mich unsere Hauptstadt stetig zu neuen Themen für unsere Seite.

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