Ein Kneipenbesuch zu Corona-Zeiten: Eigentlich überraschend normal

Seit dem 2. Juni dürfen Kneipen in Berlin wieder geöffnet sein. Durch die Corona-Beschränkungen in Innenräumen hat sich jedoch einiges an der Erfahrung geändert. Wie fühlt sich ein Besuch in der Stammkneipe inzwischen an? Unsere Autorin berichtet aus ihrer liebsten Bar in Berlin-Moabit.

Es ist Mittwochabend in einer ruhigen Seitenstraße in Berlin-Moabit. In den Fenstern der Wohnhäuser lehnen vereinzelt Männer aus dem Fenster und rauchen. Eine ältere Dame gießt ihre Balkonkästen. Ansonsten ist es ungewohnt ruhig hier. Außer Wohnungen gibt es in der Straße zwei Lokale, die den ambivalenten Charakter dieses Viertels wirklich herrlich widerspiegeln: an der Ecke eine Altberliner Eckkneipe, ein paar hundert Meter weiter eine gemütlich-hippe Craft Beer Bar. Eigentlich türmt sich die lokale, meist studierende Bevölkerung hier. Nicht-Moabiter trifft man eher selten. Im Innern wird so viel gequalmt, dass selbst Rauchern schlecht werden kann. Trotzdem kommen alle immer wieder hierher, denn die Barmenschen sind nett, die Einrichtung gemütlich und es gibt erschwingliches Craft Beer. Jetzt sieht es irgendwie traurig aus. Die gefühlte Hälfte der Sitzmöglichkeiten fehlt, der Tresen ist nicht zugänglich. Und es herrscht ungewohnt gute Luft. Statt eines hohen Geräuschpegels begrüßt mich ein Schild im Eingang, das mir befielt, eine Maske während jeglichen Gangs in, durch und aus dem Lokal zu tragen. Gut, daran sind wir alle mittlerweile irgendwie gewöhnt. Mit Maske trinkt sich Bier aber irgendwie schlecht. Ah, muss ja nicht sein, am Platz darf ich sie ja abnehmen – wenn man es nicht vergisst.

Ich sitze mit meiner Begleitung erst draußen. Hier kann man toll Leute beobachten. Denn seit Corona die mögliche Besucheranzahl halbiert hat, ist ein reges Treiben an der Tür bemerkbar: Eine Gruppe hipper junger Menschen setzt ihre Masken auf, betritt die Bar und kommt kurz danach wieder heraus: Es ist alles voll. Diese Situation wiederholt sich immer wieder, nur mit jeweils neuen Protagonisten. Ja, wir sitzen hier aus gutem Grund im leichten Nieselregen draußen. Ich kann die Enttäuschung der hippen, englischsprachigen Menschen verstehen, die jetzt ihre Fahrräder wieder aus der Seitenstraße herausschieben. Es gibt in Moabit nur sehr wenige Lokalitäten, in denen Menschen, die keinen Apfeltabak oder Herberts Trinkparolen vom Nachbartisch mögen, ein Feierabendbier mit Freunden genießen können. Erst recht, wenn man so wie ich kein Pils mag (Nein, ich komme nicht aus Süddeutschland, aber ich trinke Kindl trotzdem nur, wenn es nichts anderes auf einer Party gibt). Zudem liegen die Wallfahrtsorte der Moabiter Hipster weit voneinander entfernt – ein Fahrrad bei sich zu führen, um schnell die Kapazitäten der anderen Kneipen auszuchecken ist daher durchaus praktisch. Auch wenn der ehemalige Arbeiterkiez mit seiner nicht endenden Auswahl an Spielotheken und Shisha-Bars langsam, aber sicher vom alternativen Studierenden erobert wird, prägen sie immer noch die Minderheit im Stadtbild hier. Aber das finde ich ganz nett. Und die Einschätzung der Zitty von 2014, die günstig wohnenden Studierenden würden alle abends nach Kreuzberg fahren, stimmt zum Glück nicht mehr. Sie bleiben hier und mischen sich mit den Urberlinern, türkischen Großfamilien, den pöbelnden Trinkern und halbstarken BMW-Fahrern auf der Turmstraße und am Spreeufer. Oder gehen eben in ihre hippen Refugien, wie jene Craft Beer Bar.

Ohne Maske geht nichts

Aber ich drifte schon wieder ab. Kneipenabende sind trotz Corona irgendwie ganz schön normal. Auch wenn ich mich an dieses Masken-auf-und-absetzen nie gewöhnen werde. Aufstehen, ups, Maske vergessen, zurückgehen, Maske aufsetzen, aufs Klo gehen. Passiert mir bestimmt drei Mal an dem Abend. Und irgendwie ist es auch ein bisschen witzlos, die zwei Meter zur Toilettentür ohne Maske zu laufen, um dann umzukehren, seine Maske zu holen und wieder die gleichen zwei Meter zu absolvieren. Aber der Barkeeper guckt so streng. Außerdem will ich nicht, dass sie wieder schließen müssen.

Seit den Öffnungen der Kneipen in Berlin am 2. Juni ist das mein dritter Besuch in einer Bar. Vor Corona habe ich mich auf jeden Fall häufiger und regelmäßiger mit Freunden getroffen, sei es zum Plaudern oder Karten spielen. Jetzt sehe ich eigentlich immer nur die gleichen fünf Personen, ohne das dezidiert geplant zu haben. Diese Pandemie hat eine seltsame Eigendynamik in meinem Freundeskreis entwickelt: Gruppenchats wurden inaktiv, Gruppenunternehmungen fanden nicht mehr statt. Ein spontanes Zusammenkommen in der Kneipe um die Ecke? Fehlanzeige. Unsere wöchentliche Brettspielrunde schrumpfte auf vier Personen. Das alles ist sehr traurig. Weil ich mich aber bemühe, Vorteile zu sehen, ist mir natürlich auch etwas Positives an der Situation aufgefallen: Ein Kneipenbesuch wird zu einem kleinen Wochenhighlight. Ich verabrede mich aktiver mit einzelnen Personen. Und dass man jetzt überall draußen sitzen kann, ist für einen Biergarten-Fan wie mich herrlich.

Und in meiner Lieblingsbar ist im Prinzip immer noch alles beim alten: Um einen Platz zu bekommen, muss man entweder früh da sein oder lange warten, es gibt zwölf tolle Biere vom Fass, die man alle probieren kann, der Barmensch begrüßt einen freudig und das Publikum wird immer lauter im Laufe des Abends. Eigentlich muss man sich selbst nur daran erinnern, die Maske zum Anstoßen abzunehmen. In diesem Sinne: Prost!

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Wenn ich, 22, eine Top 5-Liste mit Sätzen, die ich in den vergangenen drei Jahren am häufigsten gehört habe, aufstellen würde, wäre „Was wird man denn so nach einem Geschichtsstudium?“ ganz weit oben vertreten. Zum Glück habe ich mittlerweile eine Antwort darauf gefunden: Journalistin. Darauf gekommen bin ich durch das Lesen von Harald Martensteins Artikeln, der selber Geschichte studiert hat. Von ihm habe ich auch meinen neuen Zukunftsplan: einfach immer schreiben. Genau das mache ich jetzt hier bei Spreewild, nachdem mir mein Praktikum in der Jugendredaktion so gut gefallen hat.