Rummels Bucht
Diesen Aufsteller können die Betreiber der Rummels Bucht leider nur noch bis Ende des Jahres rausstellen.

Warum es in Berlin so schlecht um Clubs und alternative Kulturorte steht

Die Rummels Bucht muss zum Jahresende schließen. Der Wert alternativer Kulturorte für die Stadt ist so hoch, dass es angemessen wäre diesen gegen Profit- und Prestigeinteressen zu verteidigen.

Von Selly Häußler, 28 Jahre

Ob Berghain, Sisyphos oder ein kleiner Keller, in den man zufällig stolpert – in Berlins alternativer Clubszene haben Besucher oft das Gefühl, ein Gesamtkunstwerk zu betreten. Die verspielte Gestaltung und großen Außenbereiche schaffen Raum für unbeschwerte Stunden. Das ist die Gelegenheit so zu sein, wie man ist oder auch in eine abgedrehte Rolle zu schlüpfen: Die Gäste zeichnen das Partykunstwerk mit, ohne Angst vor Verurteilung.

Berlins Technoszene zieht Menschen aus der ganzen Welt an und macht die Stadt vor allem für jüngere Generationen attraktiv. Wahl-Berliner ziehen hier her, um sich unbegrenzt frei entfalten zu können. Und umgekehrt lebt die Stadt von ihren kreativen Köpfen.

Die soziokulturellen Räume sind aus dem Untergrund entstanden: Nach der Wende nutzten Musiker, Künstler und Hausbesetzer die Freiflächen und unklaren Eigentumsverhältnisse. Und natürlich feierten sie auch. Illegale Partys und Hausbesetzungen gingen schließlich in Verträge zur Zwischennutzung über.

Bis heute bekommen Berliner Clubs meist keine unbefristeten Mietverträge. Nicht nur Anwohnerbeschwerden, sondern auch drastische Mieterhöhungen durch Investoren und Bebauungspläne verdrängen Clubs, alternative Kneipen und linke Wohnprojekte.

Korallen, statt Rummeln in der Bucht

Nach dem „Jonny Knüppel“, „Farbfernseher “, „Chalet“ und   „Rosi’s“ muss Ende des Jahres auch der Biergarten und Kulturort „Rummels Bucht“ schließen. Und das trotz großem Widerstand, den auch die Anwohner der Lichtenberger Rummelsburger Bucht unterstützten: 34.200 Unterschriften haben Freunde der „Rummels Bucht“ gesammelt, drei Demonstrationen organisiert und einen alternativen Plan ausgearbeitet. Dennoch weicht der Senat nicht vom „Bebauungsplan Ostkreuz“ ab.

Auf dem Nachbargelände der „Rummels Bucht“ soll das umstrittene Aquacenter „Coral World“ entstehen. Neben Luxuswohnungen sind etwa 140 Wohneinheiten im unteren Preissegment geplant, dafür werden auch zwei bestehende Wohnhäuser abgerissen. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist inzwischen so hoch, dass die im 26 Jahre alten Bebauungsplan vorgesehenen Luxuswohnungen und das Aquarium heute als Platzverschwendung erscheinen. Ironischerweise ist an diesem Ort die Not offensichtlich: An der Stelle des Bauvorhabens soll ein Obdachlosencamp weichen.

„Bucht für Alle“, wie sich die gegründete Volksinitiative nennt, denkt trotz der Kündigung des Mietvertrags immer noch nicht ans Aufgeben. Es gehe längst nicht mehr nur um den Kulturort, sagen sie. Das neue Ziel: der Rückkauf von Teilgebieten durch die Stadt und eine stärkere Fokussierung auf das Gemeinwohl. Zugleich diskutieren die Initiatoren, warum die Aktionen bei der Bezirks- und Landespolitik kein Gehör gefunden haben. Aus gemachten Fehlern wolle man lernen, damit Partizipation und politisches Engagement in Zukunft nicht ins Leere laufen.

Ausverkauf der Stadt

Denn der Bebauungsplan Ostkreuz ist längst nicht das einzige Bauvorhaben in Berlin, das soziokulturelle Einrichtungen bedroht. Es ist von einem „Ausverkauf der Stadt“ die Rede: Am Flussufer wird gerade an „Mediaspree“ gebaut und über die Elsenbrücke ist die Autobahnstrecke A100 geplant, durch die voraussichtlich die Clubs „Salon zur Wilden Renate“, „Else“ und „://about blank“ weichen müssen.

Der Investor Padovicz, dem auch das Gelände der „Rummels Bucht“ gehört, besitzt in Friedrichshain über 200 Häuser. Die Miete des Watergates und des Salons zur Wilden Renate soll er in den letzten Jahren verdoppelt haben. Vor kurzem hat die Unternehmensgruppe außerdem einen Antrag auf  einen Vorhabens- und Erschließungsplan gestellt, der den Club „Polygon“ betrifft. Das Ziel: Büro- und Gewerbehaus statt Feiertempel. Auch das queere Wohnprojekt Liebig34 wehrt sich bereits seit Jahren gegen die Verdrängung durch den Besitzer Padovicz.

Auch auf dem RAW Gelände soll die Subkultur weichen – Hochhäuser sind geplant, die dem Touristenmagneten seinen Charme nehmen könnten. Die Bezirksverordnetenversammlung hat sich aber mit allen Beteiligten geeinigt die Einrichtungen, die Teil des sogenannten „kulturellen L’s“ sind, zu erhalten. Dazu zählen die als L angeordneten Gebäude auf dem östlichen Teil des Geländes wie das Cassiopeia, der Kletterturm und die Skatehalle. Auf dem restlichen Gelände darf die Immobiliengruppe Kurth bauen.

Doch immerhin macht sich hier ein wachsendes Bewusstsein bemerkbar, dass solche Räume geschützt werden müssen.

Clubs gelten immer noch als „Vergnügungsstätten“ und haben es deshalb besonders schwer. Rechtlich sind Clubs mit Bordellen und Casinos gleichgestellt. Christian Goiny (CDU) spricht sich dafür aus, das zu ändern. Clubs sollen demnach künftig in der Baunutzungsverordnung als Anlage für kulturelle und sportliche Zwecke festgeschrieben sein.

Der Wert der soziokulturellen Räume für die Stadt wird also langsam anerkannt. Doch es fehlt noch an der politischen Umsetzung das Kulturgut angemessen zu schützen und gegen Profit- und Prestigeinteressen zu verteidigen. Bis es soweit ist, ist Berlin womöglich schon „ausverkauft“.

Update am 5. November 2019: Die Prüfung der 35 000 Unterschriften ist durchgeführt, mehr als 28 000 sind als gültig anerkannt. Die Volksinitiative „Bucht für Alle“ ist damit laut Plenar- und Ausschussdienst des AGH erfolgreich. Das Abgeordnetenhaus und der Senat von Berlin werden demnach aufgefordert den Forderungen nachzukommen.

„Bucht für Alle“ ist bei den „Tu mal wat“ Tagen vom 26. bis 29. September dabei. Tut mal wat und malt mit, täglich ab 12 Uhr am Widerstrand:

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