Der Film „Die Welle“ zeigte: Es braucht nur die richtigen Parolen – und schon regiert der Hass. Ein bedrohliches Gedankenspiel…
Ein Mensch und seine Feindbilder sind so eng miteinander verwoben, dass man einen Menschen eigentlich nicht beurteilen kann, ohne zu wissen, wen oder was er hasst – und warum er hasst: weil er sich gekränkt fühlt, eingeschränkt oder aus Lust an der Feindseligkeit.
Radikal statt rational
Was aber, wenn nun jemand kommt und uns genau bei unseren Nöten – unseren Motiven, zu hassen – trifft? Wir fühlen uns erhört, nicht mehr anders, nicht mehr allein. Spüren selbst die Macht. Und dann dreht sich unser Feindbild ins Radikale. Wir werden gnadenlos denen gegenüber, die uns vorher beschränkt, gekränkt haben. Weil wir frei zu sein glauben. Dann tun wir, was wir wollen, eben weil wir es dürfen. Weil wir die Gewinner sind. Als Gewinner ist es leicht, zu rechtfertigen, was „man“ darf – als Verlierer ebenso. Es findet nämlich eine Abgrenzung statt. Ein stetiges Gegen und ein daraus resultierendes Für.
Sobald jemand die richtigen Fahnen schwenkt und dazu noch die idealen Parolen verkündet, wird jeder zum Mitläufer. Da bin ich mir sicher. Wir werden sozusagen – mit guten Absichten – „betriebsblind“.
Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere zivilisatorischen Grundwerte nur von uns und durch unser Zusammenleben gefestigt worden sind. Das heißt aber auch, dass sie nicht für die Ewigkeit sein müssen. In den kritischsten Momenten ist die Zivilisation wohl nur eine papierne Hülle, die in einer Millisekunde durchstoßen werden könnte. Und schon laufen wir Fahnen hinterher, die wir vorher noch verurteilt hätten.
„Wir“ gegen „die“ – gefährlich
Jeder will Anerkennung, strebt nach Verwirklichung. Das macht uns empfänglich für Hetze. Deshalb ist jede politische Meinung gefährlich, sobald sie die rigorose Ablehnung anderer beinhaltet und damit zum Hass anstachelt. Wer nicht in der Lage ist, zu reflektieren und Demagogie als solche zu erkennen, kann anderen gefährlich werden. Als Mitläufer.
Unsere Gesellschaft wird immer politisierter, radikaler. Dennoch ist es nicht ratsam, alle in Schwarz und Weiß einzuteilen. Politik ist emotional behaftet, Meinungsbilder hängen mit dem Erfahrungsschatz des Einzelnen zusammen. Wir müssten die Geschichte eines jeden bis ins Detail kennen; verstehen, warum er oder sie hasst, um nicht selbst zu Hassenden zu werden.
