Ein Rollstuhlfahrer fährt über einen Zebrastreifen

Berlin braucht mehr Barrierefreiheit

Für Rollstuhlfahrer hält der Straßenverkehr einige Probleme parat. Ein neues Mobilitätsgesetz sollte auch umfassende Barrierefreiheit gewährleisten.

Rollstuhlfahrer haben es nicht leicht, schon klar. Es geht an dieser Stelle aber nicht um Mitleid, sondern um den Straßenverkehr. Ich spreche aus Erfahrung und möchte es so deutlich sagen: In der aktuellen, absolut wichtigen Debatte um Verkehrssicherheit darf es nicht nur um Radfahrer gehen.

Denn wer im Rollstuhl unterwegs ist, wird oft übersehen. Wie soll man auch wahrgenommen werden, wenn man im Sitzen gerade mal einen Meter misst, also die Augen auf einer Höhe hat, auf der bei den meisten anderen die Hüfte ist? Wir sind aus der Nähe und auch von Weitem schwer auszumachen.

Der Radweg ist zu unsicher

Sollten wir Rollstuhlfahrer also auf dem Radweg fahren? Das ist schon ethisch kritisch zu beäugen. Rollstühle sind nur ein „Beinersatz“ – auch wenn wir uns auf Rädern bewegen, ist der Radweg nicht das Richtige. Normalerweise fährt ein Radfahrer außerdem schnell, sitzt hoch und hat einen langen Bremsweg – das genaue Gegenteil zum Fahren auf vier tief gelegten Rädern. Und genau deshalb kommt es auch hier zu Unfällen.

Ein neues Mobilitätsgesetz müsste dem Sorge tragen – und endlich auch eine umfassende Barrierefreiheit gewährleisten. Bordsteine und alte U-Bahnen sind das beste schlechte Beispiel: zu hoch und zu steil, um sie risikofrei zu überwinden. Wer sich da keine Gehirnerschütterung abholt – ich spreche immer noch aus Erfahrung –, gibt sich als Rollstuhlfahrer wenigstens regelmäßig der Peinlichkeit preis, auf seinem Weg anhalten und sein Gefährt mit viel Kraftaufwand ankippen zu müssen – ein oftmals vergebliches Unterfangen übrigens.

Der ÖPNV ist nicht barrierefrei

Was häufig mit einem weiteren Problem verknüpft ist: im Kern gut gemeinte, aber ungewollte Hilfe. Passanten fassen oft unaufgefordert an die Griffe des Rollstuhls und schieben ohne Frage los. Oft ruckartig, regelmäßig auf die falsche Straßenseite oder sogar in die U-Bahn der falschen Richtung. Noch mal zum Stichwort „Beinersatz“: Der Rollstuhl fungiert als eine Art Körperteil, und niemand möchte ungefragt angefasst werden.

Der Schlüssel ist wie immer der Dialog. Liebe Stadtverwaltung, liebe Passanten, liebe Medien: Lasst uns reden.

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Kategorien Gesellschaft Zwischendurch

Ich bin Hannes, 17. Zwischen, Koffein, Misanthrophie, Philosophie und Augenringen findet sich irgendwo meine rebellierende Ader, mein Schreibspleen, der immer wieder nach Ausdruck verlangt. Schreiben ist für mich wie Tourette. Man kann es versuchen zu unterdrücken, aber irgendwann bricht es sich doch Bahn. Leise war ich eh nie. Aufbegehren wurde mir gewissermaßen anerzogen. Und somit bin ich im Journalismus gelandet. Denn dort kann ich aufbegehren und wenn ich Glück habe, wird das Ganze sogar gelesen. Eine optimale Mischung für einen Menschen, der gehört werden will.