Keine Lügen, keine Verbote: Meine Mama ist meine beste Freundin

Es gibt nichts, worüber unsere Autorin nicht mit ihrer Mutter spricht. Ein Plädoyer für eine innige Mutter-Tochter-Beziehung

Ich habe das große Glück, bei meiner besten Freundin zu wohnen. Nein, ich lebe nicht in einer Wohngemeinschaft – sondern bei meiner Mutter. Wer in meinem Alter ist und uns beide nicht kennt, den dürfte diese Aussage sicher verwundern bis verstören. Und nein, sie ist nicht deswegen meine beste Freundin, weil ich sonst keine anderen Freunde habe. Dem ist nicht so.

Wir haben eine innige, eine offene Beziehung, fast immer auf Augenhöhe. Meine Mutter ist meine härteste Kritikerin und zugleich meine stärkste Unterstützerin. Wenn es mir an Mut mangelt, baut sie mich auf. Sehen meine Klamotten merkwürdig aus, sagt sie es mir ehrlich. Ich kann mit ihr über alles, wirklich alles reden. Sicherlich geht das nicht nur uns so. Dennoch kenne ich in meiner Altersgruppe niemanden, der so viel Zeit mit seiner Mutter verbracht hat wie ich mit meiner. Ich liebe es, mit ihr zu verreisen, was wir so oft wie möglich tun. Dann erzählt sie mir von den Partynächten ihrer Jugend, in den wilden 80ern.

Wirklich wissen, wer man ist

Jugendliche, die kaum etwas über die Vergangenheit ihrer Eltern wissen, kann ich nicht verstehen – und noch weniger ihre Eltern, die nicht davon berichten. Wie sonst sollte ich wissen, wer meine Mutter wirklich ist? Wie sie fühlt und denkt? Und befähigt mich nicht das erst dazu, ihre Ratschläge tatsächlich verstehen und annehmen zu können?

Dank ihrer Erlebnisse kann ich meine Empfindungen leichter einordnen und entsprechend handeln. Trotzdem lässt sie mich meine eigenen Erfahrungen machen – sowohl die guten als auch die schlechten. Und manchmal habe ich das Gefühl, sie leidet mehr als ich, wenn wieder etwas in die Brüche gegangen ist. Denn mit meiner Geburt hat auch sie ihre beste Freundin zur Welt gebracht.

Sicherlich hat sie es mit mir nicht immer leicht gehabt, so ist das in einer Freundschaft. Besonders in der Hochphase der Pubertät mutierte ich regelmäßig zum Monster. Und sie? Sie hat meine Gefühle zugelassen. Ich durfte immer weinen, wenn ich das Bedürfnis danach hatte.

Strenge Eltern, rebellische Kinder

Wenn sie mich nur schluchzen hört, stürmt sie sofort in mein Zimmer. Dann folgt das immer gleiche Ritual: tröstende, verständnisvolle Worte, heiße Milch mit Honig und Kekse. Auch wenn der Auslöser nur ein kitschiger Liebesfilm nach einem Roman von Nicholas Sparks war. Dafür werde ich ihr auf ewig dankbar sein.

Meine Mutter erlaubt mir vieles. Deshalb gab es nie den Reiz des Verbotenen. Die meisten meiner Freunde haben strenge Eltern. Die Folge: Abmachungen brechen, lügen, Drogenkonsum – sie taten es, denn es wurde ihnen strengstens untersagt. Ich hingegen weiß, wo bei uns zu Hause die Gästezigaretten liegen, kam aber nie in Versuchung, an einer zu ziehen oder den frei zugänglichen Alkohol zu testen. Ich musste meine Mutter auch nie beklauen, denn wenn ich Geld brauchte, gab sie mir welches. Die Vorstellung, heimlich an ihr Portemonnaie zu gehen, widert mich an.

Oft sitzen meine Freunde in unserer Küche mit meiner Mutter zusammen und fragen sie nach Rat. Nicht nur das macht mir immer wieder klar, dass es nicht gut ist, Eltern zu haben, die mit Verboten und „Du hast zu machen, was ich sage!“-Drohungen auf ihre innere Besorgnis reagieren. Die Konsequenz sind Kinder, die etwas verheimlichen und für die es normal wird, unehrlich zu sein – im schlimmsten Fall früher oder später sich selbst gegenüber.

Foto: Privat

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Kategorien Gefühle Zwischendurch

Abitur: check. Schreiben für die coolste Jugendseite seitdem ich 14 bin: check. Weltherrschaft: in Arbeit. Wie genau ich das anstelle, weiß ich noch nicht. Ich, 19, bin noch in der Findungsphase. Ich habe bereits Praktika bei Mode- und Lifestyle-Magazinen absolviert und in vielen Filmen und Serien mitgespielt. Ansonsten reise und singe ich viel, verschlinge drei Bücher pro Woche und schreibe in jeder freien Minute. Wohin mich all das bringt, weiß ich noch nicht. Aber sobald ich es weiß, schreibe ich einen Artikel darüber.