Jana, 19 Jahre, aus Stralau fragt: „Momentan lassen sich viele meiner Freunde tätowieren oder piercen. Wie stehen Sie dazu? Würden Sie davon abraten?“
Frau Haube antwortet:
Als Jugendliche hätte ich mir gerne einen kleinen Apfel oder einen winzigen Schmetterling auf die Schulter tätowieren lassen. Ich dachte, dann würde mich ein Hauch von Geheimnis umwehen.
Denn in dem Land, in dem ich aufwuchs und das es nicht mehr gibt, hatten nur Seefahrer und Leute, die im Gefängnis waren, Tätowierungen. Das hat man wohl aus Langeweile gemacht, wurde erzählt.
Irgendwann war die Phase vorbei und ich bin heute ganz froh, keine Tätowierung zu haben. Inzwischen frage ich mich oft, warum man sich dem Schmerz beim Tätowierer oder Piercer aussetzt.
Für das Ertragen der Schmerzen muss man nicht wenig Geld bezahlen und ob man später womöglich Schäden davonträgt, weil die Tinte verseucht oder verunreinigt war, weiß niemand so genau. Hast du gewusst, dass man, nachdem man sich ein Tattoo hat stechen oder hat piercen lassen, wegen der Infektionsgefahr sogar für einige Zeit kein Blut spenden darf?
Meine junge Kollegin erzählte vor ein paar Tagen, dass sie Freundinnen hat, die sich ihre Tätowierungen wieder entfernen lassen wollen, weil sie aus der Mode sind. Ich dachte: Wieder Schmerzen, wieder Geld ausgeben und dann noch Narben behalten. Piercings lassen sich immerhin schneller entfernen. Das Problem mit Tattoos ist, dass die Haut irgendwann nicht mehr straff und glatt ist.
Dass dann ein teuer unter Schmerzen eingeritztes Motiv noch gut aussieht, wage ich zu bezweifeln. Etwas Interessantes habe ich neulich gelesen: Viele junge Leute in Israel, die Nachkommen von Opfern der Nazidiktatur sind, lassen sich die Nummer tätowieren, die ihren Großeltern im Konzentrationslager auf den Arm tätowiert worden war.
So wollen die Enkel und Urenkel das Andenken auf neue Art und Weise aufrechterhalten. Würde ich das auch machen? Schwer zu sagen. Auf jeden Fall sollte man sich gut überlegen, ob man sich tätowieren oder piercen lässt.
Deine Frau Haube
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