Warum heißt bei Frauen „Wir“ so oft „Du“?

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Was meint sie denn? Da kann Mann schon mal verzweifeln. Foto: pixelio/Uta Herbert

Linus, 17, aus Pankow, fragt: Warum heißt bei Frauen „Wir“ so oft „Du“, vor allem, wenn es um unangenehme Tätigkeiten geht?

Josephine, 17 Jahre, antwortet:

Lieber Linus,

nach dem Lesen deiner Frage habe ich erst einmal überlegt, ob sie überhaupt berechtigt ist – so oft sind „Geschlechterunterschiede“ doch nur Klischees, die sich bei genauerer Überprüfung als falsch erweisen. Leider musste ich feststellen, dass an deiner Frage wirklich etwas dran ist. So sagt mein Vater regelmäßig in ruppigem Ton: „Räum deinen Krempel vom Tisch weg“, während es bei meiner Mutter eher „Wir sollten mal den Tisch aufräumen“ heißt. Besonders häufig kann man diese großzügige Verwendung des Personalpronomens in der ersten Person Plural übrigens bei jungen Müttern beobachten, die mit ihren Kindern reden („Wir gehen jetzt Pipi machen“).

Männer scheinen, so suggerieren es zumindest Einträge in verschiedensten Internetforen, recht überfordert zu sein mit dem Herausfiltern der eigentlichen Botschaft aus weiblichem Munde. So findet man im Internet verzweifelte männliche Hilferufe, beispielsweise „Was meinen Frauen, wenn sie >mehr Freiraum< wollen?“ Man fragt sich nun, wie sich diese verschiedenen Arten der Kommunikation entwickelt haben. Spekuliert wird viel: Frauen reden gerne mehr und deshalb auch länger drumherum, Frauen als „Sammlerinnen“ haben schon immer gemeinschaftlicher gedacht und somit ihren eigenen Code entwickelt, bei dem Andeutungen ausreichen, um die Gruppe zu motivieren, Frauen stellen sich gerne geheimnisvoll dar…

Eine Erklärung, die mir besonders interessant erscheint, beruht auf dem altbekannten Unterschied (oder Klischee?) zwischen Gefühl (Frauen) und Verstand (Männer). Frauen appellieren in ihrer Sprache auf emotionaler Ebene an die Männer. Bei „Wir sollten das Wohnzimmer streichen“ geht es nicht um die genaue Wortwahl, sondern um die subsprachliche Botschaft: Mach doch mal! Männer hingegen benutzen und verstehen Sprache wörtlich, sagen also genau, was sie wollen, und denken nicht viel durch die Wörter hindurch. Wenn auf den Appell einer Frau von maskuliner Seite aufgrund von fehlender Empathie keine Reaktion erfolgt, dann kommt es dann oft zur Frustration. Aber wie löst man nun das Problem?

Das einfache Nachfragen kann helfen („Soll ich den Laptop aus dem Schlafzimmer holen oder machst du das?“), es kann aber auch passieren, dass die Frau dann herumdruckst und wieder nicht mit der eigentlichen Bitte herausrückt („Naja, wenn du willst, gehe ich auch“). Im Zweifelsfall solltest du als Mann einfach anfangen zu tun, was frau vorschlägt. Wenn das „Wir“  doch wörtlich gemeint war, wird sie schon rechtzeitig protestieren.

Als ich den Text fast fertig geschrieben hatte und schon beinahe überzeugt war, dass Männer und Frauen sich wohl nie vollständig verstehen werden, rief mein Bruder aus dem benachbarten Zimmer: „Sollen wir nicht eigentlich einkaufen gehen?“ Ein Gegenbeispiel, die Welt war gerettet! Ich grinste in mich hinein und antwortete: „Ich fahre gleich los!“

 

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