Filipa, 16 Jahre, will wissen: Manchmal frage ich mich, warum Gott all das Leid in der Welt zulässt. Natürlich kannst du mir darauf keine Antwort geben. Aber ich frage mich sowieso, ob es falsch ist, Gott nach einem Warum zu fragen. Oder darf ich Gott alles fragen?
Frau Haube antwortet: Deine Frage setzt voraus, dass es einen Gott gibt. Hierzu muss ich voranstellen, dass ich persönlich nicht an einen Gott glaube. Das heißt jedoch nicht, dass es keinen gibt oder ich gar nicht glaube. In einer ganz speziellen Art bin ich durchaus religiös, jedoch nicht im klassischen Sinne. Meine Religion hat keinen Namen und keinen Gott. Ich beziehe meinen Glauben daraus, dass ich der Kraft vertraue, die in mir steckt. Oft reicht der Glaube daran nicht, aber so ist eben das Leben, ein wenig Glück gehört immer dazu.
In mir ist ein ganz einfaches Urvertrauen, wie es vielleicht Gott vertrauenden Menschen nicht eigen ist, weil sie ja an das Göttliche glauben und weniger an sich selbst. Vielen Menschen hilft die Religion, besonders in schlechten Zeiten. Vielen aber auch nicht. Das ist genau der Knackpunkt. Wenn es einen Gott gibt – so frage ich mich – würde er es zulassen, dass viele Menschen und besonders die Kinder in der Welt leiden und hungern müssen? Würde er nicht vielmehr dafür sorgen, dass die „Schuldigen“ am eigenen Leibe erfahren, was es bedeutet mit Angst und Schrecken zu leben. Es ist noch nicht lange her, da habe ich meinen bisher einzigen Gottesdienst besucht. Ich wollte einfach mal sehen, was da passiert. Die kleine Kirche war voll. Der junge Pfarrer erzählte Geschichten aus der Bibel und spannte den Bogen zu aktuellen Geschehnissen aus der Welt. Die Leute waren verzückt, es wurde anschließend gemeinsam gebetet und gesungen. Nach dem Gottesdienst sah ich Familienväter, die ihren Kindern Klapse auf den Hinterkopf gaben, weil sie nicht still gesessen und so die Predigt gestört hatten.
In unseren Familien-, Freundinnen- oder Sportkameradenrunden kommen wir auch zusammen und reden über Gott und die Welt, aber ein Gottesdienst ist das noch lange nicht. Immerhin: Wegen der christlichen Feiertage komme ich hierzulande auch als konfessionsloser Mensch zu ein paar arbeitsfreien Tagen – das nehme ich gerne an. Weihnachten feiern wir auch, aber ich würde es als weltlich-unorthodox bezeichnen. Sicher sind viele christliche Rituale und Traditionen zu einer Zeit entstanden, als man noch keine anderen Erklärungen und Lösungen für bestimmte Dinge hatte. Aber heute? Ich finde, es ist Zeit für eine neue Religion! Sollte es doch einen Gott geben, würde er damit sicher einverstanden sein. Schließlich hat es den Menschen bisher immer gut getan, sich auf sich selbst zu verlassen denn auf himmlische Mächte. In diesem Sinne ein Amen. Deine Frau Haube