Der ominöse Ton im Prenzlauer Berg

Zwischen Yogaläden und Kindergärten ruft ein ominöser Ton bei unserer Autorin ihren Detektivinstinkt hervor. Eine Anekdote aus dem Kiez.

Von Janina Wildermuth

Ich wohne jetzt schon seit vier Jahren im Prenzlauer Berg. Jedes Mal, wenn ich um die Ecke zur Tramstation gehe, werde ich durch ein lautes, nervtötendes Piepen aus meinen Gedanken gerissen. Viele Jahre habe ich den Ton einfach ignoriert. Das wird nur etwas Vorübergehendes sein, sagte ich mir immer wieder. Jetzt, wo ich durch die Pandemie mehr Freizeit habe, kann ich das nicht mehr ignorieren. Ich muss herausfinden, woher der Ton kommt. Und sei es nur für meine eigene Zufriedenheit.

Es schien, als hätten sich die Anwohner von dem Geräusch bisher überhaupt nicht beeinträchtigt gefühlt. Deshalb wollte ich zu Beginn erst einmal sicherstellen, dass der Ton real ist und nicht nur in meinen Kopf existiert. Ich bat also meine Mitbewohnerin sich das anzuhören. Nachdem sie mir bestätigte, dass vor Ort etwas ohrenbetäubend hoch piept, ging ich zu Schritt zwei über: Online-Recherche.

Ein Jugendschreck im Prenzlauer Berg?

Nach einer ersten Fahndung im Netz, stieß ich auf den Jugendschreck „The Mosquito“  – ein Gerät, das junge Menschen durch einen Ultraschall-Störgeräuschsender wegscheuchen soll. 2005 erfunden in Großbritannien, wurde das Gerät doch tatsächlich auch in Deutschland zugelassen. Demzufolge soll der Ton in Höhe von 104 Dezibel nur von Menschen mit sehr gutem Gehör oder Leuten unter 25 Jahren wahrgenommen werden können. Ein Jugendschreck im Prenzlauer Berg, dem familienfreundlichsten Bezirk Berlins? Kann das möglich sein? Noch dazu gegenüber einer Tramstation vor einem Wohnhaus. Wohl kaum. „The Mosquito“ ist nämlich im Gegensatz zu dem gesuchten ominösen Ton, ein durchgehender, hoher Ton. Diese bestialische Erfindung kann ich also ausschließen.

Notes Of Berlin selbstgemacht

Am einfachsten, so dachte ich, wäre es, wenn ich die Anwohner direkt befrage. Die müssten am ehesten wissen, woher das Geräusch kommt. Allerdings erfordert es mehr Mut und Schlagfertigkeit an fremden Häusern zu klingeln, als ich aufbringen konnte. Deshalb musste ich anders mit den Bewohnern in Kontakt treten: per Zettel. Ich bastelte mir also nachts im Dunkeln, so dass mich weniger Menschen sehen konnten, einen kleinen Zettel, auf dem ich Passanten und Anwohner nach Tipps frage. Kontaktmöglichkeit per E-Mail. Diesen Zettel platzierte ich dann mit reichlich Klebeband direkt neben dem Bürgersteig an einer Laterne. Es hat sich bis heute niemand gemeldet.

Der Ton ist wählerisch und nur für ausgewähltes Publikum

Trotz der gut durchdachten kleinen Nachricht auf der Straße, wollte ich nicht darauf warten, benachrichtigt zu werden und rief kurzerhand den Hausmeister an. Wenn einer was mitbekommt, dann dieser Mann. Nur leider hat er nie so einen Ton vor Ort gehört. Auch meine Eltern konnten auf dem Audio, dass ich ihnen geschickt hatte, nichts außer Rauschen vernehmen. Wie sollte ich je herausfinden, woher der Ton kommt, wenn eine Vielzahl der Bevölkerung das Piepen nicht einmal hören kann? Alle meine weiteren Schritte – das Bezirksamt, die Stadt Berlin oder die zuständigen Verkehrs- und Umweltminister anzurufen – schienen dadurch nutzlos. Soweit musste es aber auch gar nicht kommen.

Der entscheidende Hint

Ein paar Tage später bemerkte ich, dass zwei Autos dauerhaft vor Ort stehen, und das Geräusch unter einem der Fahrzeuge besonders laut ertönt. Als der eine Parkplatz am folgenden Tag frei war, das Geräusch aber noch hörbar, wurde mir klar, woher der Ton kam. Und zwar vom vorderen Teil des einen Fahrzeugs. Hatte meine Mitbewohnerin von Anfang an Recht mit ihrer Vermutung, dass dieser nervige, jahrelang unentdeckte Piepton schlichtweg ein Marderschreck sei? Ich rannte nach Hause und suchte online nach einem Soundbeispiel. Ich fand ein YouTube-Video, in dem ein Elektrounternehmen zeigt, wie ein Marderschreck eingebaut wird. Darin heißt es, dass Menschen diesen Ton nicht wahrnehmen, er für Marder aber unerträglich sei. Im Hintergrund läuft das Piepen. Es ist exakt dasselbe Geräusch wie in meiner Nachbarschaft. Fall gelöst. Und unter dem Video steht jetzt genau ein Kommentar: „Und ob Menschen das hören können! Es schmerzt!“

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