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Lauras Fasten-Tagebuch: Auch ein vegetarischer Burger kann blutig sein

Vergangenes Jahr hat Laura auf Zucker verzichtet – und musste ihr Fasten-Experiment nach 30 Tagen abbrechen. Seit einer Woche verzichtet sie nun auf Fleisch. Banal? Ganz und gar nicht!

Eintrag 5: 9. März 2017

Endspurt: Die letzte Woche der Fastenzeit hat begonnen.
Die einzige blutige Angelegenheit, die mir in den vergangenen sieben Tagen zu schaffen gemacht hat, war eine Fleischwunde an meinem Finger. Aber genug davon. 
Jetzt, wo sich die Fastenzeit dem Ende neigt, habe ich mich auch mit möglichen Nachteilen vegetarischer Ernährung beschäftigt. Tatsächlich negative Auswirkungen hat vegetarische Ernährung an sich nicht. 
Trotzdem kann man, gerade als frischgebackener Vegetarier, vieles falsch machen und fast genauso viele vorwurfsvolle Blicke ernten wie ein Fleischfresser.

Zuerst einmal sollte man bedenken, dass Fleisch den meisten Nicht-Vegetariern besonders als Lieferant für Vitamin B12 und Eisen dient. Letzteres lässt sich einigermaßen gut durch pflanzliche Lebensmittel wie Brokkoli, Hülsenfrüchte, Nüsse, Heidelbeeren oder, bei Pescetariern, durch Fisch ersetzen. Gerade Frauen leiden schnell unter Eisenmangel. Essen sie kein Fleisch, sollten sie täglich Eisen in Form der oben genannten Lebensmittel zu sich nehmen. Wirksam wird das Eisen hierbei aber auch erst in einem sauren Milieu, das heißt, wenn es in Kombination mit Vitaminen aufgenommen wird. 
Folgen von Eisenmangel sind ständige Müdigkeit, fahle Haut, brüchige Nägeln und Haaren oder Konzentrationsschwäche. Vitamin B12 hingegen muss bei vegetarischer Ernährungsweise durch supplemente Tabletten oder durch damit angereicherte Getränke oder Müslis aufgenommen werden.

Um sich vegetarisch zu ernähren bedarf es mehr, als einfach nur auf Fleisch zu verzichten.

Ebenfalls wichtig ist der bewusste Umgang mit Ersatzprodukten. Viele Vegetarier legen sich gerne, damit Gemüse und Kartoffeln nicht so einsam auf dem Teller sind, ein vegetarisches Schnitzel dazu. Besonders beliebt ist hierbei das Fleischimitat aus Soja. Und auch Sojamilch wird nicht nur von Veganern fleißig getrunken. Die kleine Sojabohne ist zu einer großen Modeerscheinung geworden, die mit Vorsicht zu genießen ist: 
Aus gesundheitlicher Sicht gilt zu beachten, dass Soja ein Allergen ist, auf das ähnlich viele Menschen reagieren wie auf Laktose. Außerdem enthalten Sojaprodukte sogenannte Phytoöstrogene, die nicht nur im Verdacht stehen, Herz-Kreislauf-Krankheiten zu verursachen, sondern auch den Hormonhaushalt durcheinander bringen. Das bedeutet für Frauen weitaus geringere Fruchtbarkeit, bei Männern resultiert daraus unter Umständen sogar die Entwicklung einer Männerbrust. Des Weiteren sind nicht nur viele Sojaprodukte gentechnisch verändert, nein, für den Anbau der hippen Bohne wird ebenso Regenwald abgeholzt wie für die Fleischindustrie. So kann also auch ein vegetarischer Burger noch blutig sein…

Was ich daraus schließe? Eine Ernährungsumstellung hin zum Vegetarismus heißt nicht, einfach alle Fleischprodukte durch etwas optisch ähnliches zu ersetzen und zu denken, man lebe automatisch gesünder. Will man den Schritt gehen und zum Vegetarier werden, muss man sich sehr genau mit Ernährung und seinem eigenen Körper beschäftigen, immerhin entzieht man ihm dabei etwas, an das er jahrelang gewöhnt war.

Eintrag 4: 29. März 2017

Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der es nötig ist, andere zu töten, um selbst zu überleben.

Der Verzicht auf Fleisch stellt auch in der fünften Woche keinerlei Herausforderung für mich dar. In den vergangenen Tagen denke ich häufiger darüber nach, ob es nicht doch ein oder zwei Fleischprodukte gibt, die ich eventuell bei längerem Fasten vermissen könnte. Dann beschäftigt mich wieder die Frage wie sinnvoll es ist, ein Vegetarier zu sein, der ab und zu mal eine Ausnahme macht und sich einmal im Jahr ein knuspriges Schnitzel gönnt.

Sicher ist diese Option schon besser, als sich täglich Fleischprodukte zu genehmigen. Doch momentan liegt auch der Gedanke an ein gelegentliches Fleischvergnügen für mich in weiter Ferne: Das Leben in einer ländlichen Gegend, als direkter Nachbar von Schweinen, Rindern und Schafen, die im Moment ihre neugeborenen Lämmer aufziehen, in Kombination mit dem qualvollen Binge-Watching von PETA-Schlachtvideos verdirbt einem dann doch jeden Appetit.

“Oooh guck mal, ein Lämmchen! Wie süüüß!” In drei Wochen wird es gegessen.

Für mich persönlich ist das “oooh guck mal, ein Lämmchen! Wie süüüß!” nicht mehr wirklich mit dem drei Wochen später erfolgenden Verzehr eines Osterlamms vereinbar. Und ich weiß, dass das bisher nur funktioniert hat, weil ich mir nie wirklich darüber im Klaren war, wie zum Beispiel so eine Schlachtung vonstatten geht.

Ich möchte jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber so viel sei nur zur Information gesagt: Von Verbrühen über Entbluten und Hautabzug bis zum Entweiden ist alles dabei. Natürlich erst nachdem das Tier vor den Augen seiner Artgenossen an den Füßen zusammengebunden über den Boden geschliffen und, teilweise noch mit mehr oder minder wirksamen Bolzenschuss direkt ins Hirn, betäubt wurde. Was für ein Glück unser kleines Lämmchen doch hat. So spürt es meistens fast gar nichts von den oben genannten Prozeduren!

Wer sich selbst davon überzeugen möchte, kann nicht nur bei PETA, sodern auch beim Gucken der Netflix-Doku “Food Inc.” das Fürchten lernen. Man muss nicht besonders sensibel sein, um dabei festzustellen, dass das Schlachten, so “artgerecht” ein Tier auch gehalten worden sein mag, einfach brutal ist.

Eintrag 3: 22. März 2017

Vegetarismus als politisches Statement
Eine weitere Woche Fastenzeit gehört der Geschichte an und noch immer bereitet mir der vegetarische Alltag keine Probleme. Nur ein paar Freunde sind etwas genervt, dass sie jetzt, wenn wir uns eine Pizza teilen, Rücksicht nehmen müssen. Schon ein bisschen schade! Vergleichbar ist das vielleicht mit dem Schicksal eines Nichtrauchers, der, wenn sich seine Freunde im tiefsten Winter auf den Balkon verziehen, drinnen bleibt. Beste Absichten, aber in der Praxis dann doch manchmal irgendwie blöd.

 Um dieses Gefühl zu ertragen, klopfe ich mir vor meinem inneren Auge mir selbst auf die Schulter und bestärke mich in meiner Entscheidung mit den Worten Mahatma Gandhis: „Die Größe einer Nation und ihre moralische Reife lassen sich daran bemessen, wie sie ihre Tieren behandeln.“ 

Vegetarismus als politisches Statement.

Und wo Gandhi Recht hat, hat er Recht! Immerhin verstehen sich viele Menschen in meinem Alter als aufgeklärt und schütteln über Vergehen ihrer Eltern an der Natur den Kopf. Man geht auf Demos, Gegen-Demos, boykottiert dies, boykottiert das und macht sowieso ganz viel rein aus Prinzip.
 Reden wir aber über Fleischkonsum, fragt man sich, wo diese Prinzipien und die moralische Größe, von der Gandhi spricht, denn auf einmal geblieben sind. Plötzlich hinterfragt kaum einer mehr irgendwas. Erstaunlich wenige Menschen wissen, was sie, gerade aus weltpolitischer Sicht, mit dem Biss in die Bockwurst alles ins Rollen bringen.

Dabei ist das gar nicht so kompliziert.
 Nicht nur für die Herstellung von Papier, sondern auch, um unsere Fleischeslust zu stillen, werden Menschen, die in Regenwäldern leben, von dort vertrieben. Anschließend werden die Bäume abgeholzt, um so mehr Weidefläche für Rinder zu gewinnen. 
Auch betrügen wir durch das Essen von Fleisch circa eine Million andere Menschen um ihre Nahrung. Denn für die Fütterung der Kühe und Schweine, die wir später zu uns nehmen, wird Getreide aus der Dritten Welt importiert, genauer gesagt 10 Kilo Getreide für ein Kilo Fleisch. Doch nicht nur Getreide wird in rauen Mengen verschwendet. Auch bescheidene 20.000 Liter Wasser werden benötigt, um ein Kilo Fleisch zu gewinnen. Angesichts der zukünftigen Wasserrechnungen ist eine solche Verschwendung vielleicht auch ein Schnitt ins eigene Fleisch…!

Eintrag 2: 15. März 2017

„Du isst kein Fleisch? Warum das denn?!“
Zwei Wochen der Fastenzeit sind nun bereits vorüber – meine Motivation jedoch nicht. Bisher verlief das Selbstexperiment wie am Schnürchen. Auch in Restaurants habe ich kaum Probleme, vegetarisches Essen zu bekommen, solange ich mich nicht am Mittagstisch des örtlichen Metzgers verköstigen lassen will. Anzumerken ist, dass die Auswahl nicht immer die Möglichkeit der Auswahl lässt: Einige wenige Lokale denken, ihre Pflicht erfüllt zu haben, wenn sie neben den 200 Fleischgerichten ein einziges ohne Schwein, Rind, Lamm oder Huhn anbieten. Aber gut.

Nur ein einziges Mal musste ich in den vergangenen 14 Tagen mit den Augen rollen – als mich ein Kollege auf ein Stück Lasagne einladen wollte und ich dankend ablehnte indem ich mitteilte, dass ich momentan kein Fleisch essen würde. Er schaute mich verdutzt an und fragte, warum und religiös sei. 
Abgesehen davon, dass ihn das im Grunde gar nichts anging und ich nicht genau wusste, was er mit „religiös“ nun meinte (Muslimisch wegen des Schweinefleisches? Streng christlich wegen der Fastenzeit?), fand ich die Frage nach dem warum in meinem Fall besonders witzig. Als wäre ihm beim besten Willen kein Grund einfallen, warum Menschen keine Tiere essen sollten.

Ernährung, die in Fleisch und Blut übergegangen ist
Zum ersten Mal in meinem Leben informiere ich mich nun über mein nur geringes Allgemeinwissen hinaus, welche Konsequenzen Fleischkonsum mit sich bringt – und bin als Mini-Hypochonder gleich ganz beruhigt, wenigstens 40 Tage lang etwas für meine Gesundheit zu tun.

Neben Vogelgrippe oder Rinderwahnsinn finde ich auch eine ellenlange Liste mit Krankheiten, die ganz normales, unverseuchtes Fleisch verursachen könne. Die wohl am häufigsten genannte Folge ist übrigens Darmkrebs, der durch eine jahrelange Belastung der Darmwand durch toxische Stoffe, die bei der unvermeidbaren Verwesung des Tieres entstehen, ausbrechen kann. Auch durch das Braten oder Kochen von Fleisch lassen sich diese schädlichen Gifte leider nicht zerstören. Zudem könnten diese Stoffe – ebenso wie das Antibiotika, mit denen viele Tiere behandelt werden – für Immunschwäche sorgen oder eben dafür, dass die Antibiotika, wenn wir sie denn mal brauchen, nicht mehr anschlagen.

Lohnt es sich wirklich, mögliche gesundheitliche Risiken in Kauf zu nehmen und die omnivore Ernährung beizubehalten, nur weil sie im wahrsten Sinne des Wortes bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist?
 Apropros Blut: Wer sich vegetarisch ernährt, hat bewiesenermaßen bessere Blutdruckwerte, und somit ein vermindertes Schlaganfallrisiko, sowie bessere Cholesterin- und Harnsäurewerte und aktivere Nieren.

Aber Fleisch ist dich ein unverzichtbarer Lieferant von Eisen, Eiweiß und Zink? Ja, totes Tier enthält tatsächlich viel von diesen Stoffen, jedoch können Vegetarier diese auch auf anderem und dennoch natürlichem Wege, zum Beispiel über Nüsse, Getreide, Hülsenfrüchte, Eier oder Milchprodukte, aufnehmen. 
Guten Appetit!

Eintrag 1: 8. März 2017

Wenn die ersten Sonnenstrahlen in unsere Zimmer fallen, bemerken wir nicht nur, wie fliegenschissübersäht unsere Fenster sind. Nein, auch all der Schmutz, der sich über den Winter an unserem Körper und Geist zu schaffen gemacht hat, fällt uns jetzt wieder ins Auge. Viele antworten darauf mit einem Frühjahrsputz, Sport-Marathon für die Bikini-Figur – oder sie fasten.

Auch ich habe mir spontan überlegt, noch einmal zu fasten. Nicht aus religiösen Gründen, sondern, um, zumindest für 40 Tage, mein Gewissen ein bisschen reiner zu waschen. Viele Möglichkeiten stehen mir offen, gibt es doch so viel an mir selbst zu optimieren.

Nach kurzer Überlegung habe ich mich dann ganz einfach dazu entschieden, auf Fleisch zu verzichten. Eine Entscheidung, die für mich um ein vielfaches einfacher umzusetzen sein wird als das Zuckerfasten vergangenes Jahr. Dafür vielleicht umso wichtiger.

Diesmal geht es mir weniger darum, mich selbst herauszufordern, denn ich esse sowieso selten Fleisch. Vielmehr möchte ich diese kleine Veränderung vornehmen, um herauszufinden, ob ich auf Dauer zur Vegetarierin werden kann. Ist nach einer gewissen Zeit die Selbstverständlichkeit des persönlichen Fleischkonsums immer noch größer als das Bewusstsein dafür, was dieser für Tiere oder Mitmenschen bedeutet?

Achtung Achtung! Dies ist keine Gehirnwäsche! Ich wiederhole: Dies ist keine Gehirnwäsche.

Vegetarismus ist heute nichts außergewöhnliches mehr, nicht einmal Veganismus kann man noch als einen wirklich neuen Trend bezeichnen. Grundsätzlich weiß ich schon immer, was Fleisch ist: totes Tier. Andere pflegen „Leichenteile“ zu sagen, was wahrlich nicht ganz falsch ist. Abgesehen von diesen offensichtlichen moralischen Gründen spricht noch mindestens eine Hand voll anderer Gründe dafür, sich fleischlos zu ernähren.

Ich möchte hiermit niemanden bekehren, sondern lediglich diejenigen informieren, die wissen, dass sie ihren Fleischkonsum kaum bis gar nicht reflektieren oder das was sie wissen, ignorieren – so wie ich.

In den nächsten Einträgen meines Fastentagebuches möchte ich nicht nur meine Erfahrungen als frisch gebackene (Teilzeit-) Vegetarierin teilen, sondern auch über die ernüchternden Folgen sprechen, die der „Genuss“ von Fleisch mit sich bringt: Bluthochdruck, Klimakatastrophe, Hungersnot. Fleischkonsum hat viele Gesichter…

Fotos: ExQuisine/Fotolia; Andreas Arnold/dpa

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