Kaum Platz, kaum Privatsphäre: Wie es ist, in einer Flüchtlingsunterkunft zu leben, darüber spricht der 20-jährige Ahmad auf seinen Stadtführungen.

Durch die Augen eines Geflüchteten: Ahmad, 20, zeigt Interessierten sein Berlin

Seit wenigen Monaten lebt Ahmad in Berlin. Auf Stadtführungen zeigt er Interessierten sein Berlin

„Wollt ihr wissen, wo es das beste Falafel der Stadt gibt?“ Mit leuchtenden Augen zeigt Ahmad auf einen kleinen Imbiss wenige Meter entfernt. „Hier kann man richtig gut arabisch essen, es schmeckt genauso wie zu Hause in Syrien.“ Der 20-Jährige spricht zu einer Gruppe amerikanischer Studenten. Interessiert fragen sie Ahmad, was in syrischen Küchen gekocht wird und was ihm am besten schmeckt. Bereitwillig erzählt er von Bulgur mit Zucchini oder Kichererbsen.

Doch schnell verändern sich die Fragen der Studenten: „Warum bist du geflohen?“ „War die Flucht beschwerlich?“ „Wie lange bist du schon in Deutschland?“ Sie möchten mehr über den jungen Mann wissen, der ihnen einen Teil der Stadt zeigt, in welche er vor wenigen Monaten geflohen ist.

Kaum Platz, kaum Privatsphäre: Wie es ist, in einer Flüchtlingsunterkunft zu leben, darüber spricht der 20-jährige Ahmad auf seinen Stadtführungen.

„Ich kenne die Flüchtlingsgeschichten lediglich aus den Medien, möchte aber von den Menschen selbst erfahren, warum sie geflüchtet sind und was ihre Geschichte ist“, sagt die amerikanische Studentin Jozella. Und so erzählt ihr Ahmad, dass er in Damaskus Ingenieurswissenschaften studierte. Und dass das Leben von Bomben und Explosionen überschattet war. Als seine Universität zerstört wurde, beschloss Ahmad, zu fliehen. Mit dem Flugzeug ging es an die türkische Grenze. „Die Überquerung der syrisch-türkischen Grenze war am schwierigsten. Überall stand bewaffnetes Militär“, berichtet er. Mit dem Bus ging es schließlich weiter über Antalya nach Izmir. „Dort wurde man überall auf der Straße und in Cafés von Schleusern angesprochen, ob man nicht einen Platz im Schlauchboot nach Griechenland kaufen möchte.“ Der 20-Jährige wagte die gefährliche Überfahrt und gelangte so auf eine der vielen griechischen Inseln. Nach einem Monat beschwerlicher Flucht betrat er in Passau erstmals deutschen Boden. Von dort aus kam er nach Berlin. „Ich möchte einfach wieder ein ganz normales Leben führen, Damaskus war nicht mehr sicher“, sagt Ahmad.

Ahmad erzählt seine Geschichte nüchtern und gefasst. Es fällt ihm schwer, dabei Gefühle zu zeigen. Fragen, wie es war, als seine Universität zerbombt wurde, und ob er Angst auf dem Schlauchboot hatte, übergeht er genauso wie jene nach seinem Gemütszustand hier in Deutschland. Auch Fragen zu seiner Familie beantwortet der junge Flüchtling nur knapp und ausweichend.

Es ist ihm wichtig, all den Menschen, die nach einem sicheren Leben suchend ihre Heimat verlassen haben, eine Stimme zu geben. Querstadtein gibt ihm und anderen Geflüchteten in Berlin die Gelegenheit dazu, Interessierten ihr Berlin zu zeigen. Ziel der Organisation ist es, einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen. „Wir wollen, dass Menschen, die hier in Deutschland ankommen, ihre Geschichte ungefiltert erzählen und so Barrieren abbauen können“, erklärt Tilman Höffken von Querstadtein.

Was er sich denn für seine -Zukunft wünscht, wollen die amerikanischen Studenten wissen. Sein Ingenieursstudium weiterführen und hier in Deutschland einen guten Arbeitsplatz finden, antwortet Ahmad.

Text und Foto: Roswitha Engelen, 21 Jahre

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Kategorien Flüchtlinge Gesellschaft Zwischendurch

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