Eine Kleinstädterin über ihre ersten Tage in Berlin

Für mein Praxissemester bin ich vor gut einer Woche nach Zehlendorf gezogen. Ich studiere eigentlich in dem kleinen Städtchen Ansbach bei Nürnberg. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie aufgeregt ich meine ersten Schritte durch die Stadt lief.

Um schnell nette Leute kennenzulernen, meldete ich mich bei der Facebook-Gruppe „Neu in Berlin“ an. Prompt poppte eine Einladung zum Clubbesuch auf. „Wir treffen uns um 22.30 Uhr bei mir daheim, Sandra kommt noch mit und wir gehen ins Pearl.“ Beide Namen sagten mir nichts, aber was sollte schon groß passieren, außer dass die Leute blöd sind und ich wieder heimfahre. Plötzlich fand ich mich im VIP-Bereich des Nobelclubs The Pearl wieder. Besagte Sandra kannte die Türsteher und brachte mich ohne Anstehen rein. Drinnen wurde mir direkt ein Cocktail in die Hand gedrückt, von einem Typ, den ich nicht kannte, aber Sandra anscheinend. Mir fielen einige Männer auf, die Zigaretten rauchten. Verwundert fragte ich Sandra, ob das nicht verboten sei. „Die lassen an einem Abend so viel Kohle hier, denen wird nichts verboten“, erklärte sie lässig. Auf der Toilette die nächste Überraschung: Eine Dame drehte mir den Wasserhahn auf, reichte Seife und trocknete mir die Hände wieder ab.

Am nächsten Tag wollte ich mein karges WG-Zimmer etwas verschönern und suchte über Kleinanzeigen ein passendes Regal. Nur – wie transportiere ich das eigentlich? Ich entschloss mich, es einfach im Bus mit-zunehmen. Gedanklich machte ich mich auf verwunderte Blicke gefasst, wie es sie in Ansbach mit Sicherheit gegeben hätte. Aber nichts dergleichen passierte. Zweites Tagesziel: Kühlschrank füllen. Also auf zum Supermarkt um die Ecke. Um 16 Uhr stand ich vor verschlossenen Türen. Haben Supermärkte in Berlin nicht ewig offen?

Freitag verschlug es mich in die Türkei, so kam es mir zumindest vor. Es war Markttag am Neuköllner Maybachufer. Teils in gebrochenem Deutsch, teils auf Türkisch priesen die Händler lautstark ihre Waren an: „Gute Bananen, heute gaaanz günstig!“ Daneben wurden Fahrräder verkauft, ebenfalls „gaaanz günstig“. Ich möchte lieber nicht wissen, wo die herkommen. Beim Gedanken, in wenigen Monaten wieder im beschaulichen Ansbach zu sitzen, wird mir gleich ganz anders zumute.

Von Roswitha Engelen, 21 Jahre

Foto: DWP – Fotolia

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