Felix, 24, Buddhist: Ein Leben in Liebe und Achtsamkeit

Seit eineinhalb Jahren ist Felix Buddhist. Das hat seinen Alltag ordentlich umgekrempelt

Der klassische Start in den Tag eines Studenten ist üblicherweise ein Taumel zwischen Knuspermüsli und kalter Dusche. Mein Mitbewohner Felix beginnt seinen Morgen jedoch mit einem außergewöhnlichen Ritual: Er sitzt eine Stunde lang auf seinem Kissen und meditiert. Seit eineinhalb Jahren ist der Berliner Lehramtsanwärter praktizierender Buddhist – und hat dadurch seinem Leben eine völlig neue Wendung gegeben. Früher verbrachte Felix seine Abende meist vor der Playstation oder zischte mit seinem Mitbewohner Fußball schauend Dosenbier. Dass ihn dieser Lebensstil nicht dauerhaft glücklich machen würde, wurde ihm in seinem Auslandssemester bewusst. „In Neapel habe ich das typische Erasmus-Leben geführt: viele Partys, viel Alkohol. Diese Erfahrung hat irgendwie das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich wollte intensiver und weniger exzessiv leben“, erinnert sich der heute 24-Jährige.

Durch Zufall kam Felix mit dem Buddhismus in Berührung. Zur Langen Nacht der Religionen begleitete er seinen besten Freund zu einem Vortrag in das buddhistische Zentrum Lotos-Vihara nahe dem Strausberger Platz. „Noch am selben Abend wusste ich, dass ich wiederkommen würde.“ Damals schwirrten ihm die Fragen im Kopf herum, die so viele junge Menschen beschäftigen. Was will ich mit meinem Leben anfangen? Wie kann ich glücklich werden? „Mir fehlte einfach eine Vision. Ich wollte zwar Lehrer werden, habe das aber nicht als Inhalt meines Lebensplans gesehen. Mir wurde klar, dass es nicht darum geht, welches Auto ich fahre oder welche Karriere ich mache.“

Bald begleitete ihn die buddhistische Philosophie bei seiner Sinnsuche und wurde wesentlicher Bestandteil seines Alltags. Mittlerweile besucht er das Zentrum in Mitte an drei Abenden in der Woche, um sich Vorträge anzuhören und zu meditieren.

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Wenn Felix gestresst nach Hause kommt, schaltet er nicht den Fernseher ein, sondern setzt sich auf sein Meditationskissen. (Foto: Margarethe Neubauer)

Seit ein ordinierter Mönch im Zentrum lebt, nimmt Felix auch an der Morgenmeditation teil. Das Lotos-Vihara ist auf Vereinsebene organisiert, steht jedoch auch allen Nicht-Mitgliedern offen. „Es ist ein Ort, an dem Menschen sich eine Auszeit nehmen, Kraft tanken und einander mit Offenheit begegnen. Auch viele junge Leute kommen hierher.“

Bier gibt es bei Felix nun nur noch selten, die Playstation hat er seinem jüngeren Bruder vermacht. Anfangs sorgte sich seine Familie um ihn, weil es um ihn plötzlich immer stiller wurde. „Als Jugendlicher war ich ausgelassen, extrovertiert und laut. Heute bin ich viel ruhiger. Das haben sie erst mit dem Verlust von Lebensfreude verwechselt“, sagt er. „Ich lebe jetzt bewusster und reflektierter in Bezug auf meine Umwelt.“ Seine neue Lebensweise hat Felix auch für alltags-ethische Fragen sensibilisiert, sodass er sich heute konsequent vegetarisch ernährt.

Die buddhistische Meditationspraxis verfolgt Felix nicht nur zu Hause, er hat sie in seine alltäglichen Abläufe integriert: „Eigentlich meditiere ich den ganzen Tag. Zum Beispiel in der S-Bahn. Ich versuche dann, auf meinen Atem zu achten, richte meinen Geist mithilfe von Mantren aus und gehe in Verbindung zu meinen Mitmenschen. Seit ich das mache, ist mir aufgefallen, wie getrennt ich mich vorher von ihnen gefühlt habe.“ Die sogenannte Metta-Meditation hilft Felix, mit seinen Mitmenschen in -„liebender Güte“ verbunden zu sein. Manchmal werde er auf seine friedliche Ausstrahlung angesprochen, sagt er und hofft, die Leute dadurch zu inspirieren, sich in Frieden zu entfalten. Dass der spirituelle Weg für Felix mehr als nur eine Phase ist, steht für ihn außer Zweifel: „Es gibt jetzt eine Ausrichtung, wohin mein Leben verlaufen soll. Ich will nicht nur im stillen Kämmerlein meditieren, sondern das mit der Welt teilen und Menschen einladen, offen und herzlich zu sein. Man kann nicht jeden Tag etwas im Makrokosmos verändern. Ich bin mir sicher, dass die Welt sich dadurch verändert, wenn die Menschen bewusster werden.“

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Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.