U-Bahnhof Alexanderplatz. Foto: picture alliance / dpa

Wie Laura am Alexanderplatz zur Berlinerin wurde

Laura lebt und studiert seit Jahren hier. Vor wenigen Tagen wurde sie endlich zur Berlinerin, ganz unvorbereitet, in der U-Bahn-Unterführung am Alexanderplatz.

Die Frage, ab wann man mit Fug und Recht behaupten kann, ein echter Berliner zu sein, beschäftigt beinahe jeden Zugezogenen, spätestens eine Woche nach besagtem Zuzug. Es ist ja auch wichtig zu wissen, denn nicht selten kommt es vor, dass man bei der Arbeit, auf einer Party oder auch von den neuen Nachbarn gefragt wird, ob man denn eigentlich aus Berlin sei. Und dann steht man da und weiß es selbst nicht so genau.

Foto: Gerd Metzner
Foto: Gerd Metzner

Um die Frage adäquat beantworten zu können, muss theoretisch ein höchst komplexes Gleichungssystem gelöst werden, in welches Faktoren wie relative Wohndauer, Geburts­ort, Arbeits­ort, Luftlinie zum Stadt­zentrum sowie absolute Mecker-
Suffizienz hi­nein­spielen. Zu kompliziert für die Praxis. Daher berufen wir uns lieber auf ein bloßes Gefühl oder haken in einem der zahlreichen im Internet kursierenden „Einbürgerungstests“ mit Titeln wie „10 Dinge, an denen du erkennst, dass du ein echter Berliner bist“ die Punkte ab.

Ich persönlich würde mich seit geraumer Zeit als Berlinerin bezeichnen. Ich lebe und studiere seit mehreren Jahren hier. Nie war ich auf dem Fernsehturm. Ich fahre kein Bier-Bike, dafür viel Fahrrad. Und pöbeln kann ich auch. Doch vor einigen Wochen wurde ich eines Besseren belehrt: Ich musste am Alexanderplatz umsteigen. Seit ich hier lebe, hasse ich nichts so sehr. Denn nicht nur, dass es in der Unterführung zwischen U2, U5 und U8 fast zu jeder Tages- und Nachtzeit unglaublich voll ist, nein, das Schlimmste ist der Gestank. Die Mischung aus dem Frittierfettgeruch verschiedenster versiffter Fast-Food-Läden und dem giftigen Acryl-Odeur eines winzigen Nagelstudios hatte in mir bei meinem ersten Besuch dort unten einen solchen Brechreiz hervorgerufen, dass ich von jenem Tag an nur mit prophylaktisch angehaltenem Atem durch diese Unterführung gelaufen war. Neulich aber blieb ich eine Weile dort unten stehen, suchte etwas in meiner Tasche – um schließlich mit Entsetzen festzustellen, dass ich ganz vergessen hatte, die Luft anzuhalten. Und nichts hatte ich gerochen!

Wenn mir also dieser U-Bahn-Tunnel nicht die Atemwege verätzt hat, dann bin ich an diesem Tag zur Berlinerin geworden. Denn hier unten habe ich mit der Zeit die Gleichgültigkeit und Abgebrühtheit entwickelt, die nach meiner Theorie einen waschechten Berliner auszeichnen.

U-Bahnhof Alexanderplatz. Foto: picture alliance / dpa
U-Bahnhof Alexanderplatz. Foto: picture alliance / dpa

In unserer Rubrik „Kurioses & Famoses“ widmen wir uns den alltäglichen Kuriositäten und den kleinen, fabulösen Fabelhaftigkeiten.

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