Tierprodukte kommen Margarethe nicht mehr auf den Teller. Foto: Gerd Metzner

Margarethes Klimafasten-Tagebuch #5

Vierzig Tage lang fastet unsere Redakteurin Margarethe mit Jugendlichen aus ganz Deutschland für ein besseres Klima

Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum

Fünfunddreißig Tage Tierprodukt-Askese liegen hinter mir. Bisher. Das von vielen Fastenden sehnsüchtig erwartete „Bergfest“ ist ungefeiert an mir vorbeigerauscht, denn ich habe die klimafreundlichen kulinarischen Kuriositäten mit größtem Eifer in meinen Speiseplan integriert. Hinter Chia vermute ich keine Meditationstechnik mehr und investiere gern den einen oder anderen zusätzlichen Euro in das mannigfaltige Aufstrichsortiment im Biosupermarkt. An meiner eigenen Anpassungsfähigkeit zweifle ich nun nicht mehr. Aber wie gestaltet sich mein baldiger Besuch in den heimatlichen Gefilden, wo sich auf weiter Flur nicht ein Biomarkt erspähen lässt?

#Flashback: Geschlagene zwei Jahre sind verstrichen, bis mir auch die entfernteste Großtante dritten Grades auf Familienfeiern keine Schinkenschnittchen mehr anbot und die Erkenntnis ins kollektive Familienwissen sickerte, dass mein Verzicht auf Fleisch keine Wohlstandskrankheit ist, die sich durch exzessive Grillabende kurieren lässt. Aufgrund vegetarischer Grenzerfahrungen erwarte ich also nun: Widerstand! Hochgezogene Augenbrauen, heruntergezogene Mundwinkel, Diskussionen über dem sonntäglichen Rührei. Aber ich habe den guten grünen Willen meiner Mitmenschen unterschätzt. Schon im Telefonhörer knistern interessierte Fragen. Auf meine Antworten, die ich möglichst wenig militant vorzutragen versuche, folgt am anderen Ende der Leitung verständnisvolles, unsichtbares Nicken.

Kurze Zeit später. Der erste Besuch zu Hause steht an und ich bin gespannt, ob ich wohl am umfunktionierten „Kindertisch“ werde speisen müssen, an dem jetzt widerspenstige Veganerinnen Zuflucht suchen können. Aber nein! Meine Mutter wartet mit einem riesigen Gemüseaufgebot und hat offenbar die kommerzielle Veggie-Abteilung unseres Standard-Supermarktes bis zum letzten Regal leergeshoppt. Mit minimalem Plastikaufwand. Auch mein Schwesterherz berichtet bald mit stolzer Stimme von ersten veganen Kochabenden mit Freunden. Ja, ich schäme mich ob des mangelnden Vertrauens, das ich meiner Familie in Sachen Klimalifestyle-Toleranz geschenkt habe. Der Apfel fällt wohl doch nicht so weit vom Birnbaum.

„Und wann hörst Du wieder auf damit?“, fragt meine Oma, die jetzt Mehlschwitze ohne Butter macht. Ich beginne mich zu fragen, ob es diesen Punkt, dieses Aufhören, überhaupt geben wird. Ich will ehrlich zu mir selbst sein: Es geht mir gerade körperlich und moralisch so gut wie nie zuvor.

Margarethe Neubauer, 21 Jahre

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Kategorien Lifestyle Umwelt Zwischendurch

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.