Tierprodukte kommen Margarethe nicht mehr auf den Teller. Foto: Gerd Metzner

Margarethes Klimafasten-Tagebuch #3

Vierzig Tage lang fastet unsere Redakteurin Margarethe mit Jugendlichen aus ganz Deutschland für ein besseres Klima

Woran erkennt man einen Veganer?

Einfach ist er nicht, mein neuer Lebensstil. Vor allem Sojaprodukte wie Tofu sind zumeist in Plastik verpackt. In einer Supermarkt-Odyssee irre ich durch Berlins Bio-Szene auf der Suche nach einer verpackungslosen Variante. Hungrig und mit schwindender Motivation entere ich endlich “Original Unverpackt”, einen kleinen Laden in Kreuzberg, der mir exakt das liefert, was ich jetzt zu meinem Glück brauche: lose Mandeln zum Abfüllen, in Papier eingeschlagenen Tofu und Shampoo zum Selberzapfen. Vor allem Letzteres erscheint mir besonders kurios. Fasziniert wie ein Kleinkind vor der Flimmerkiste inspiziere ich die Shampoo-Spendeapparatur – und schlucke: Für 100 Milliliter muss ich mir 2,70 Euro aus den bereits durch Ökomarktpreise geprellten Rippen leiern. Ich knirsche geizig mit den Zähnen, heute beiße ich sie nicht zusammen. Wo wir gerade beim Thema sind: Hier gibt es auch Zahnputztabletten (ohne Alu-Hülle, versteht sich). Kauen und Polieren soll helfen. Ohje. Woran man einen Veganer erkennt, wird mir nun klar: an seinem Improvisationstalent.

Generell steigert sich meine Achtsamkeit im Alltag. Ich drücke öfter auf den Lichtschalter, widerstehe sinnlosen Shopping-Gelüsten und informiere mich zum Klimawandel. Mit Erschrecken denke ich an Zeiten zurück, in denen ich täglich eine Plastikflasche im Gepäck hatte. Immer wieder stelle ich mir Fragen wie: Brauche ich wirklich eine paraffinverseuchte Bodylotion mit Drachenfrucht-Aroma? Wie wichtig sind mir die in Bangladesch gefertigten Schuhe, die ich seit Wochen mit im Schaufenster glänzenden Augen umschleiche? Verliere ich ein Stück Lebensqualität, wenn kein Stück Schokolade meinen abendlichen Serienkonsum begleitet?

Ein kleines bisschen bin ich stolz, dass nun grünes Blut durch meine Adern fließt. Trotzdem betrachte ich meine Position als selbsternannte Klimaheldin mit erhöhter Skepsis. In meinem Kuchen landet jetzt also kein Brandenburgisches „Landei“ – stattdessen eine aus Südamerika eingeschiffte Banane, die dort in Monokulturen den Boden seiner Nährstoffe beraubt. Und was habe ich jetzt gekonnt? Leider schaffen weder exzessive Internetrecherchen noch das Gespräch mit einer Umweltexpertin der BUNDjugend diesbezüglich Klarheit. Mein veganer Leckerbissen schmeckt heute irgendwie weniger fantastisch.

Margarethe Neubauer, 21 Jahre

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Kategorien Lifestyle Umwelt Zwischendurch

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.