Diese Postkarte wurde der Jugendredaktion von einem befrackten Kellner zugestellt, der sehr freundlich schaute, als der diensthabende Jugendredakteur ihm einen Fisch als Trinkgeld zuwarf.
Liebe Jugendredaktion,
ich schreibe euch diese Karte bereits auf dem Weg in den Urlaub. Das bietet sich irgendwie an, denn natürlich ist in den Ferien mal wieder Stau auf sämtlichen Boden- und Luftwegen, also habe ich mehr als genug Zeit. Wie jedes Jahr wollen wir mit Freunden in ein Sommerresort in der Antarktis. Und wie jedes Jahr stecken wir vor der Auffahrt auf die Hyperbahn zwischen Hunderten Fahrzeugen in der brütenden Hitze fest.
Irgendein Trottel hat vergessen, den Stecker aus dem Tank zu ziehen und die Ladestation bis auf die Hyperbahn hinter sich hergezogen. Ich weiß, ich weiß, eigentlich ist es umweltschädlich, noch Auto zu fahren, aber unser Nachbar hat sich ohne zu fragen den Flieger gekrallt. Jet-Sharing hat auch seine Nachteile.
Aber ruhig Blut. Sobald wir angekommen sind, reserviere ich mir erstmal eine große Liege am Pool. In der Antarktis sind glücklicherweise nur 30 Grad. Im Reiseführer steht, früher soll es dort echtes Eis gegeben haben – in einem der größten Sommererholungsgebiete der Welt. Ist das zu glauben?
Lange Strände, Robben in Hula-Röcken, und das an einem Ort, an dem früher Hütten aus Eisblöcken standen. Allein der Gedanke, dass Eis frei zugänglich in der Natur lag, ist komisch. Wenn ich mir da die heutigen Preise für Eis ansehe, wünsche ich mir fast die alten Zeiten zurück. Meine Eltern haben gerade ein paar Eisbarren gekauft – als Geldanlage.
Was ich an der Antarktis liebe, sind die kleinen dressierten Kellner im Frack. Sie schauen immer so freundlich, wenn man ihnen einen Fisch als Trinkgeld zuwirft. Genau genommen sind sie aber auch nur eine Masche des Reiseveranstalters, um die Menschen wenigstens im Urlaub die heimische Wüstenödnis vergessen zu lassen.
Eure Aniko Schusterius (im Jahr 2093 jugendliche 96 Jahre alt)