Post aus der Zukunft

Diese Postkarte wurde der Jugendredaktion von einem 1,90 Meter großen Hünen übergeben, der in die Redaktionssitzung platzte. Die einzigen Worte, die er im Hinausgehen sprach, lauteten: „Hasta la vista, Baby.“ Die Jugendredaktion kann sich den Vorfall nicht erklären. Es gab die Vermutung, es handle sich um einen Verwandten des Barkeepers James. Aber natürlich glaubt das niemand wirklich ernsthaft.

Liebe Jugendredaktion,

obwohl heute schon am dritten Tag in Folge der Generator ausfällt, mit dem die Leute hier im Hotel die ortsüblichen Temperaturen von knapp 90 Grad Celsius senken, ist es wirklich sehr schön im Staat Oklahoma der Volksrepublik Neu-Chinesisch-Amerika (an den neuen Namen werde ich mich wohl nie gewöhnen – obwohl der spektakuläre Gebietsankauf, den sich das Reich der Mitte in den 2020ern gegönnt hat, nun auch schon wieder fast dreißig Jahre zurückliegt). Zum Glück hat unser Hotel einen der begehrten Bunker, die 80 Meter unter der Erde Schutz vor dem hier so gefürchteten Hitzetod bieten. Unseren Barkeeper James – ein Wunderwerk aus Drähten und Speicherkarten, das wie ein Mensch aussieht und sprechen kann – hat es schon erwischt: Seine Festplatte brannte heute Mittag durch, als wir ein paar Cocktails mit Wassergeschmack bei ihm bestellten.

Auch die Neu-Chinesisch-Amerikaner aus Fleisch und Blut sind allerdings ein seltsames Völkchen mit komischen Essgewohnheiten – es gibt mittlerweile schon Burger und Cola mit Wassergeschmack hier. Die Austrocknung des Atlantischen und Pazifischen Ozeans und die grundsätzliche Wasserknappheit auf dem Kontinent verändern offenbar den Geschmack der Menschen.

Überhaupt, das Essen: Während bei uns in Deutschland Fastfood-Produkte aus 10-Liter-Tuben noch der letzte Schrei sind, ist man hier mal wieder schon einen Schritt weiter. Ein Wissenschaftler von der letzten Uni, die das Land noch hat, züchtete kürzlich eine sensationelle Pflanze: ein anspruchsloses Gewächs, das nicht mehr Nährstoffe braucht als ein Kaktus und, wenn es in Blüte steht, unterschiedliche Fertigprodukte trägt. Es gibt Züchtungen, die Tiefkühlpizzen mit Pilzen hervorbringen, andere sind auf Chicken-Nuggets spezialisiert. Dem großartigen Forscher wird in Deutschland gerade der „Ilse-Aigner-Preis für Lösungen der Nahrungsknappheit“ verliehen. Ich werde die Gelegenheit nutzen, mir das Spektakel in der Bewegtbild-Zeitung anzusehen, die hier gerade von der Post auf mein Zimmer gebeamt wurde.

Beste Grüße aus der „Neuen Welt“, wie man ja früher so schön sagte. 
Euer Bill Schneider (im Jahr 2056 jugendliche 61 Jahre alt)