„Wenn ich mal groß bin…"

Träumt ihr nicht auch manchmal davon, eure Leidenschaft später zum Beruf zu machen? Wir haben uns auf die Suche nach jungen „Traumberuflern” gemacht, die euch von ihrer Arbeit und ihren Erfahrungen erzählen.

Ein DJ muss man vor allem eins können: Leute zum Tanzen bringen. Schon seit 16 Jahren dreht Tinko erfolgreich an den Plattentellern. Seit 2007 ist der gebürtige Pankower Anteilseigner von Oye-Records, einem Plattenladen in Prenzlauer Berg. Warum Berlin für ihn als DJ so attraktiv ist und wieso er nie eine Ausbildung gemacht hat, verrät uns der 31-Jährige in unserem Fragebogen.

„Dann spiele ich noch eine Nummer und alles explodiert.“

DJ Tinko. Foto:privat

Tinko, erzähl uns doch kurz von Deinen aktuellen Projekten.

Ich nehme mich gerade etwas zurück, was das Auflegen betrifft, so dass ich nur noch zwei oder drei Mal im Monat als DJ unterwegs bin. Ich versuche, mir die Gigs etwas besser auszusuchen und nicht überall aufzulegen, nur weil es Geld bringt. Weniger „Fließbandarbeit“ und mehr Spaß und künstlerische Freiheit. Ich beschäftige mich nach einigen Jahren der Abstinenz auch wieder mit dem Produzieren von Musik. Außerdem fange ich jetzt an, eine Radiosendung zu machen. Der Internet Radiosender Sweatlodge hat einem Kollegen und mir einen Sendeplatz angeboten. Wir haben dort schon ein paar Mal in einer Sendung von Freunden gespielt und da wir nicht nur DJs sind sondern auch seit vielen Jahren einen Plattenladen betreiben, ist das sozusagen mehr als perfekt. Das Moderieren einer Radiosendung bereitet mir sehr viel Spaß. Ein weiteres großes Projekt, das ich eben schon kurz erwähnte, ist mein Plattenladen Oye Records in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg, den ich mit zwei Freunden betreibe. Der Laden wächst und wächst; einfach so nebenbei lässt sich die Arbeit nicht mehr bewerkstelligen. Als Geschäftleiter verbringe ich mittlerweile 50-60 Stunden in der Woche in meinem Plattenladen, was den Hauptteil meiner Arbeitszeit ausmacht.

Wolltest Du schon immer DJ werden und wie bist Du dazu gekommen?

Das ist alles eher zufällig passiert. Ich glaube, ich war 14. Mein bester Freund machte eine Geburtstagsparty bei sich zu Hause. Irgendwann saß ich an seiner Anlage und hab die CDs gewechselt, die alle so mitgebracht hatten – hauptsächlich Bravo Hits, Kuschelrock-Sampler, aktueller HipHop und Nirvana. Ich glaube mich zu erinnern, dass ein Grund auch die Flucht vor Yvonne war, die ständig mit mir „eng“ oder „Blues“ tanzen wollte, wie das damals bei uns hieß. So konnte ich Geschäftigkeit vortäuschen und Sachen spielen, zu denen man keinen „Blues“ tanzen konnte. Wir haben dann öfter Partys gemacht und ich war immer der DJ. Irgendwann hab ich angefangen, in einem Jugendklub in Pankow aufzulegen und dann nahm alles seinen Lauf. Ich lernte diesen und jenen kennen und wurde weiter empfohlen. Einen Masterplan gab es nie. Ich hab auch nie Mixtapes gemacht oder mich irgendwo beworben.

Was waren ursprünglich Deine Vorstellungen von dem Beruf und wie sieht die Realität nun aus?

Es gab natürlich immer die Vorstellung des von Gig zu Gig fliegenden, immer im Jetlag lebenden DJ. In meiner Realität ist das eher entspannter. Dennoch bin ich auch schon viel herum gekommen, habe sehr viel gespielt, tolle Partys erlebt und viele Menschen kennen gelernt.

Tinko an den Plattentellern. Foto: privat

Wann konntest du vom Auflegen leben und was hast du nebenbei gemacht, um über die Runden zu kommen?

Ab 2000 konnte ich vom Auflegen leben. Nebenbei habe ich aber immer auch noch andere Sachen gemacht. Ich war bespielsweise Ton -und Veranstaltungstechniker auf Konzerten und Partys, Barmann, Türsteher und Eventmanager. So bin ich immer gut über die Runden gekommen. Wenn die DJ-Gagen nicht ausreichen, mach ich eben was Anderes. Ich habe ja nie studiert oder eine Ausbildung gemacht, warum auch. Was ich machen will, mach ich einfach und der Rest ergibt sich dann schon. Es ist nicht immer einfach, weil ich ständig meinen inneren Schweinehund vor mir habe. Aber mich auf etwas festlegen wollen, was ich dann ein Leben lang mache? Nein! Das wollte ich mit 18 schon nicht.

Erzähl uns von Deinem bisher aufregendsten Erlebnis als DJ.

Ich habe mal in einem alten Salzbergwerk aufgelegt. Eine riesige Grotte, 1000 m unter der Erde. Der Weg dahin war schon aufregend: nach einer ewigen Fahrt mit dem Fahrstuhl ging es dann auf einem Laster mit geschätzten 200 km/h durch ein stark verzweigtes Tunnelsystem. Eine Zeit lang hatte ich am Berliner Grips Theater in einem Theaterstück einen DJ gespielt. Ich hatte immer etwas Lampenfieber, weil ich gern mal bei Vormittagsvorstellungen verschlafen hab und dann erst fünf Minuten vor Beginn eingetroffen bin. Ansonsten sind es die vielen tollen Momente, die meinen Beruf immer wieder aufregend machen. Zum Beispiel wenn zur Sperrstunde die Musik plötzlich ausgeht. Der Laden ist gerammelt voll und das Energielevel wahnsinnig hoch … dann spiele ich noch eine Nummer und alles explodiert.

Das Innenleben von Oye-Records. Foto: privat

Was würdest Du jungen Leuten raten, die auch DJ werden wollen?

Besorgt euch Turntables! Geht auf Partys, kauft Platten in Plattenläden und lernt Leute kennen! Kontakte sind das A, das O und das Z. Networking ist extrem wichtig und durch das Internet einfacher geworden. An erster Stelle steht die Liebe zur Musik, ohne die klappt gar nichts. Und erst danach kommt der Wille, die Menschen auf dem Dancefloor glücklich zu machen. Und ein bisschen verrückt sollte man auch sein.

Was wärst Du heute, wenn Du nicht DJ geworden wärst?

Ich hab früher viel mit Elektronik rumgebastelt, alte Radios und Fernseher auseinander genommen. Möglicherweise würde ich jetzt einen Reparaturdienst haben. Dann gab es auch mal die Überlegung, Koch zu werden. Aber bis jetzt ist es doch nur ein Hobby, was mir viel Spaß macht. Vielleicht werde ich ja eines Tages, wenn die Ohren kaputt sind, einen kleinen Laden haben, in dem ich koche… Ansonsten hatte ich nie große Pläne für die Zukunft. Ich hab immer gedacht, ich kann alles machen. Und im Grunde denke ich es auch heute noch. Gut, ein paar Einschränkungen sind schon dazu gekommen. Skispringer werd ich wohl nicht mehr werden können.

Du lebst und arbeitest in Berlin. Was für eine Rolle spielt die Hauptstadt für Deinen Beruf?

Berlin hat eine der besten, wenn nicht DIE beste Clublandschaft der Welt. In vielen anderen Metropolen gibt es Sperrstunden um zwei oder vier Uhr morgens und viele Auflagen, die es Clubbetreibern schwer machen. In Berlin kann ich als DJ unter sehr guten Bedingungen arbeiten. Dadurch gibt es natürlich auch eine Menge Konkurrenz. Für meinen Laden zahlt es sich doppelt aus. Einerseits kaufen aufgrund der zahlreichen Clubs viele DJs bei mir ihre Platten, andererseits wird er von vielen Musik interessierten Touristen besucht.

Oderberger Straße. Foto: privat

Wo siehst du dich beruflich in 20 Jahren?

Auf jeden Fall wird Musik immer noch eine große Rolle in meinem Leben spielen. Und wenn Ohren und Rücken es mitmachen, werd ich auch mit Sicherheit noch auflegen. Natürlich wäre es toll, wenn es Oye Records dann noch gibt, wobei ich nicht zwingend immer in dem Umfang dort arbeiten werde, wie es jetzt momentan der Fall ist. Vielleicht bin ich dann auch ein erfolgreicher Musikproduzent. Oder doch noch Skispringer? Chefkoch? Hotelbesitzer? Ich werde einfach das Leben wie bisher auf mich zukommen lassen und probieren, an wichtigen Stellen Entscheidungen zu treffen und dann das Beste draus zu machen.

von Kristin Magister

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Kategorien Musik Zwischendurch

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