Mit zwei Nationalitäten im Gepäck muss man sich manchmal auf die Suche nach der eigenen Identität begeben
Bis zu seinem neunten Lebensjahr lebte Conrad mit seinem norwegischen Vater und seiner deutschen Mutter in Norwegen in der Stadt Bergen. Mit seiner Mutter sprach er Deutsch und bekam wöchentlich Deutschunterricht, während er in der Schule und mit seinem Vater Norwegisch sprach. Als sich seine Eltern trennten, entschloss sich Conrads Mutter mit Kind und Kegel zurück in ihre Heimatstadt Berlin zu gehen.
Für Conrad begann hier ein neuer Lebensabschnitt – in einer Stadt, in die er nie wollte. Er vermisste seine Heimat, hatte Anpassungsschwierigkeiten und war in der Schule häufig überfordert. Wegen seiner Probleme mit der deutschen Aussprache mobbten seine Mitschüler ihn sogar. Die Heimat – das war für ihn Bergen. Nicht zuletzt, da er in Berlin für alle immer nur „der Norweger“ blieb.
So verbrachte er seine Schulferien regelmäßig in Bergen bei seinem Vater. Für ihn stand fest, dass er sobald wie möglich zurückkehren würde. Als er sein Abitur in der Tasche hatte, kehrte er Deutschland den Rücken, um in Bergen zu leben und Biologie zu studieren. Anfangs, so sagt er, war er euphorisch, doch schnell verblasste der Schein. Die Erinnerungen an seine ehemalige Heimat unterschieden sich deutlich von der Realität. Hier, wo er glaubte, seine Identität wiederzufinden, fehlte das Gefühl von Zugehörigkeit. Hier war er auf einmal nicht mehr „der Norweger“, sondern plötzlich „der Deutsche“. „Man sieht mich als Ausländer an und mit der Mentalität der norwegischen Jugendlichen komme ich nicht zurecht“, sagt Conrad, „die Menschen sind verschlossen und es herrscht kein Miteinander.“
Zunehmend zweifelte Conrad an seiner Entscheidung. Inzwischen hat er für sich erkannt: „Es hängt nicht vom Ort ab, wer man ist, sondern von den Menschen, die einen umgeben.“ Sein Studium wird er diesen Sommer abbrechen und nach Berlin zurückkehren. Zu Familie und Freunden. (Von Kristin Franke, 19 Jahre)