Interview

Plastikfrei leben trotz Corona – so geht’s

Seit #stayathome produzieren die Deutschen mehr Müll als zuvor. Das ist schade, findet Fabian, der seit Jahren nahezu plastikfrei lebt – und erklärt, wie man trotz Corona beim Konsumieren auf die Umwelt achten kann.

Von Kristina Vasilevskaja

Als ich mir neulich etwas bei einem Restaurant zum Mitnehmen bestellte, bekam ich einen Schock: Ich hatte ganz vergessen, wie viel Müll ich dazubekommen würde. In einer Plastiktüte bekam ich einen Aluminiumteller mit Deckel, Servietten und Plastikbesteck. Ich habe mich ziemlich geschämt. Beim Ausmisten meines Zimmers reichten meine beiden Arme nicht aus, um all den unnötigen Kram zu entsorgen. Gerade jetzt, wo wir zu Hause sind, könnten wir doch unsere Lebensweise überdenken. Fabian ist Student an der Hochschule für Technik und Wirtschaft und hat das bereits getan. Er lebt seit 2016 nahezu plastikfrei. Wie er das geschafft hat und was für Tipps er für mich hat, erzählt er in einem Interview.

Fabian, erzähl mal, wann und warum hast du angefangen, dich auf ein Leben ohne Plastik umzustellen?

2016 war das. Ich bin vom Reisen wiedergekommen und mit einem Freund zusammengezogen. Ich wollte schon lange ausprobieren, plastikfrei zu leben. In der Nähe der neuen Wohnung gab es einen Unverpackt-Laden. Das kam sehr gelegen.

Dein Mitbewohner hat sich mit dir zusammen umgestellt. Wie habt ihr das gemacht?

Anfangs war das alles noch sehr provisorisch. Wir haben alles in Stoffbeuteln gelagert. Mittlerweile benutzen wir Gläser, vor allem die von Gewürzgurken, später haben wir noch große Gläser dazu gekauft. Zuerst habe ich nur bei Lebensmitteln darauf geachtet, Plastik zu vermeiden. Später sind dann auch bei Kosmetikartikeln und so weiter. Bis heute versuche ich soweit es geht auf Verpackungen und Plastik zu verzichten.

Soweit es geht… Wo gelingt es dir nicht?

Mein Laster sind wohl Schoko-Cornflakes, die kaufe ich neuerdings wieder in Supermärkten. Der Geschmack erinnert mich einfach an meine Kindergartenzeit, das ist unvergleichlich. Bei Kosmetikartikeln und anderweitigen Sachen fällt die Verpackung weniger auf als bei Lebensmitteln, sie sind aber keineswegs weniger verpackt.

Ich stelle mir das bei Kosmetikartikeln trotzdem kompliziert vor.

Das ist es eigentlich gar nicht. Shampoo und Duschgel habe ich als Stück und Handseife fülle ich in einen eigenen Spender immer nach. Bei Zahnpaste gibt es die Tablettenvariante, bei der man erst die Tablette kaut und dann putzt. Zurzeit teste ich Zahnputzpulver, da muss man die nasse Zahnbürste einfach eintunken.

Das klingt nach teuren Investitionen. Ist es trotzdem bezahlbar?

Ja, es ist teurer, weil plastikfreie Produkte auch oft biozertifiziert und fair gehandelt sind. Aber das ist der Preis, den man bezahlen sollte. Ich arbeite noch neben der Uni und verzichte auf ein zweites Bier in der Bar.  Ich habe da meine eigenen Prioritäten.

Was für Schwierigkeiten gab es während deiner Umstellung?

Passierte Tomaten und Hafermilch waren schlecht ohne Plastik zu finden, weil diese Lebensmittel kaum in Mehrweg-Gläser zu kaufen sind. Tetra Paks sind vielbeschichtet. Auch Dosen sind keine perfekte Alternative. Sie werden einfach verbrannt. Die Unternehmen und Märkte breiten gerade ihr Angebot auf diesem Gebiet durch die erhöhte Nachfrage aus. Das ist echt gut, dadurch wird es leichter auf Plastik und Verpackungen zu verzichten. Viele Biomärkte bieten jetzt auch Unverpackt-Stationen an. Ich bin in verschiedene Läden gefahren, um zu sehen, wer was anbietet und bei wem mir der Tofu am besten schmeckt.

Hast du Bedenken wegen einer möglichen Ansteckung, wenn Lebensmittel so ganz ohne „Schutz“ sind? Gerade jetzt, in Corona-Zeiten…

Gemüse und Obst sollte man sowieso gründlich abwaschen, auch wenn es Bio ist. Ansonsten, habe ich keine Bedenken. Ich kaufe mir immer eine Gemüsekiste von der solidarischen Landwirtschaft (Anm. d. Red.: eine Gruppe Biobauern, die einen gegen Entgelt monatlich mit Gemüse versorgen), da weiß ich ja, wo es herkommt und dass sie sich Mühe geben. Ich denke auch nicht, dass man sich wegen des Virus Sorgen machen sollte, nicht plastikfrei leben zu können.

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Es ändert für dich also nichts daran, plastikfrei zu leben? 

Nein. Unser Unverpackt-Laden hat immer noch geöffnet, die Leute dort halten Abstand, Essen gibt es zum Glück genug. Es gibt auch keinen Grund, wieso es jetzt weniger möglich wäre. Im Gegenteil. Wir können uns gerade Zeit dafür nehmen Plastik und vielleicht sogar Verpackungen überhaupt zu meiden. Denn es ist nochmal ein Unterschied, wenn man plastikfrei lebt oder verpackungsfrei. Plastik zu reduzieren ist schon ganz gut, aber man muss hier differenzieren, denn Verpackungen an sich sollten reduziert werden. Das Wiederverwerten von Glas, zum Beispiel, ist extrem energieaufwendig. Ich frage mich, wann wir endlich ein umfassendes Mehrwegsystem einführen können.

Wusstest du, dass in Deutschland gerade etwa 20 Prozent mehr Müll verursacht wird als vor der Pandemie?

Nein, aber vielleicht liegt es daran, dass jetzt häufiger zu Hause gekocht wird und dadurch mehr Müll entsteht.

Hm, interessanter Gedankengang, ich hatte nämlich im Gegenteil vermutet, dass mehr Müll durch die Takeouts kommt, allein schon durch Plastikbesteck, Serviette und Aluteller.

Stimmt auch wieder. Bei Restaurants ist es aber häufig so, dass die in großen Mengen einkaufen, was weniger Verpackung bedeutet. Mein Mitbewohner und ich geben Restaurants unsere Dosen und Behälter mit, die sie dann auffüllen. Zuerst haben sie es nicht gecheckt, aber jetzt machen das ganz viele bei uns.

Hast du noch mehr Tipps für Laien, wie man Plastik reduzieren kann? 

Zeit nehmen und das einfach schrittweise angehen. Es ist ein Luxus, aber es lohnt sich. Wenn es geht und man den Platz dafür hat, kann man in größeren Mengen, also größere Verpackungen einkaufen, dadurch wird weniger Verpackung mitgekauft. Wer also genug Platz für zehn Kilo Spaghetti hat, der sollte sich nicht davor scheuen.

Könntest du dir vorstellen, dass die Leute ihr Verhalten ändern nach der Pandemie?

Ich glaube nicht, dass das passieren wird, allein weil wir solche Gewohnheitsmenschen sind. Aber ich finde es wäre für jeden einen Versuch wert. Am wichtigsten ist es, einfach anzufangen.

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Ich bin Kristina und schreibe zwar nicht, seitdem ich einen Stift halten kann. Dafür schreibe ich jetzt mit Leidenschaft und meinem Lamyfüller. Es gibt viel, was ich in der Welt ändern möchte, deshalb ist wohl der erste Schritt, anderen davon zu erzählen. Mit Fotografien, Bildern und Texten kommuniziere ich und zeige mich der Welt ein klein wenig mehr.