„Frauen wie ich sind für Zuhälter nicht interessant“

Sollte Prostitution unter Strafe gestellt werden? Unsere Jugendredakteurin sprach mit einem ehemaligen Callgirl

Underware, bed and money to symbolize the cost of sex.
Underware, bed and money to symbolize the cost of sex.
Annabelle hatte ihre Hoch-Zeit Anfang der Nullerjahre. Damals sei sie für drei Jahre die teuerste Prostituierte Deutschlands gewesen und habe weltweit zu den Top 100 des Geschäfts gehört, sagt sie. 2005 stieg sie aus. Heute arbeitet sie als Künstlerin.

Wieso hast du als Callgirl gearbeitet?
Ich bin Künstlerin, und düstere Frauengestalten wie Prostituierte sind immer faszinierend für mich gewesen. Ich wollte wissen, was sich hinter den Klischees verbirgt.

Dich hat also niemand gezwungen?
Nein, hätte ich mir auch nicht gefallen lassen.

Also hattest du auch keine Zuhälter?
Nein. Ich möchte dazu aber anmerken, dass ich Männer kenne, die Zuhälter sind. Es war immer ein Umgang in einer gewissen Distanz, wie Raubtiere, die wissen, dass sie, solange es keine Probleme gibt, im eigenen Revier bleiben müssen. Frauen wie ich sind für Zuhälter nicht interessant. Deutsch, gebildet, festes soziales Umfeld. Außerdem war ich auch noch viel zu teuer. Nur die Masse macht Kasse. Zuhälter wollen Frauen, die sie zu einhundert Prozent kontrollieren können. Die sind dann in der Regel nicht sehr gebildet und aus dem Ausland und haben in Deutschland keine Freunde.

Bereust du die Zeit?
Ich bereue, dass ich nicht mehr Geld zur Seite gelegt habe. Ich war überwältigt von der Kohle, habe alles auf den Kopf gehauen.

Würdest du wieder anschaffen gehen?
Ich bin fast 40, die Zeit ist vorbei. Es ist in diesem Geschäft wie in der Mode: Es ist eine sehr oberflächliche Welt, die nur von Optik lebt. Wichtig ist, dass du immer im Hinterkopf hast, dass der Job nur so lange geht, wie du gut aussiehst. Das Zeitfenster des Körpers hat sich geschlossen für mich. Jetzt gilt es, das Zeitfenster des Geistes zu nutzen.

Hattest du Stammfreier?
Ich mag den Ausdruck Freier nicht. Ich hatte Gäste, auch weib-liche. Viele trauen sich nicht, ihre Bisexualität offen zu leben, und machen es dann so.

Sollten Prostitution unter Strafe gestellt und die Freier bestraft werden?
Da würden sich die Menschen-händler so richtig die Hände reiben. Die selbst-bestimmten Frauen würden zurückgedrängt, und die gezwungenen Frauen würden sich nicht mehr trauen, zur Polizei zu gehen. Die Zuhälter könnten damit Werbung machen, dass sie Frauen haben, die die Kundschaft nicht verraten. Wenn die Kunden bestraft werden würden, würden sie auch nicht mehr zur Polizei gehen, um unhaltbare Zustände anzuzeigen. Das machen viele, und so kommt vieles ans Licht. Eine Prostitutions-Prohibition würde Zwangsprostitution und Menschenhandel gigantisch anwachsen lassen.

Sollte es eine Altersbeschränkung für Prostituierte geben?
Ja. Mindestens 21 Jahre alt sollten die Frauen sein. Und: Sie sollten einen Schul-abschluss vorweisen müssen. Ich wäre sogar so rigide, dass ich eine abgeschlossene Berufsausbildung oder mindestens drei Jahre Arbeit in einem „normalen“ Beruf voraussetzen würde. Aber das wird sich wohl nicht durchsetzen lassen.

Interview: Anastasia Barner, 16 Jahre

Das Interview erschien erstmals bei Penny Lane, der Schülerzeitung des John-Lennon-Gymnasiums, und wurde kürzlich vom Spiegel mit dem Schülerzeitungspreis 2015 ausgezeichnet. Eine ungekürzte Version findet ihr unter spreewild.de

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Abitur: check. Schreiben für die coolste Jugendseite seitdem ich 14 bin: check. Weltherrschaft: in Arbeit. Wie genau ich das anstelle, weiß ich noch nicht. Ich, 19, bin noch in der Findungsphase. Ich habe bereits Praktika bei Mode- und Lifestyle-Magazinen absolviert und in vielen Filmen und Serien mitgespielt. Ansonsten reise und singe ich viel, verschlinge drei Bücher pro Woche und schreibe in jeder freien Minute. Wohin mich all das bringt, weiß ich noch nicht. Aber sobald ich es weiß, schreibe ich einen Artikel darüber.