Versicherungskunde auf dem Stundenplan

Immer mehr Berliner Schulen bieten den Ergänzungskurs „Studium und Beruf“ in der Oberstufe an

Schülerleben besteht nicht nur aus Gedichtanalyse – wer will, kann sich auch in Business-Englisch und Versicherungswesen üben.FOTOLIA/RAWPIXEL
Schülerleben besteht nicht nur aus Gedichtanalyse – wer will, kann sich auch in Business-Englisch und Versicherungswesen üben (Foto: FOTOLIA/RAWPIXEL).

Mitte Januar twitterte die 17-jährige Kölner Schülerin Naina sinngemäß, sie fühle sich trotz guter Schulbildung nicht für ein eigenständiges Leben gewappnet. Mit dem Satz „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen“ entfachte sie eine Bildungsdebatte, an der sich viele Schüler, Politiker und Pädagogen beteiligten.

An einigen Berliner Schulen besteht das Problem jedoch gar nicht mehr. Denn dort dürfen Lehrer in der Oberstufe seit 2011 den einjährigen Ergänzungskurs „Studium und Beruf“ unterrichten. Mittlerweile nutzen immer mehr Schulen diese Möglichkeit. Besonders konsequent geschieht das etwa am Köpenicker Alexander-von-Humboldt-Gymnasium – dort müssen alle Elftklässler den Kurs belegen. „Wir wollen allen gleiche Chancen für eine selbstständige Zukunft bieten“, sagt Susanne Weiland, eine Pädagogische Koordinatorin der Schule. Im Einführungsmodul nehmen die Elftklässler an Bewerbungstrainings sowie Studien- und Berufswahltests teil und besuchen Bildungsmessen. „Das ist eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben“, findet die 18-jährige Isabell Schäfer. „Allerdings überfordert mich die Fülle der vorgestellten Berufsmöglichkeiten auch ein wenig.“

Während den Lehrern dabei eher eine beratende Rolle zukommt, sind in den anderen Unterrichtseinheiten ihre Fachkenntnisse gefragt. So ist eine Fremdsprachenlehrerin für das Business- Englisch-Modul zuständig, in dem die Schüler nicht nur sprachliche Grundlagen für internationale Berufskontakte wiederholen, sondern auch Wissen über mögliche Tätigkeiten im Ausland erwerben. Eine Physiklehrerin lehrt Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, die braucht, wer studieren möchte. Dazu zählen etwa Exzerpieren und Zitieren. Auch um den Umgang mit Quellen und die Nutzung von Bibliotheken geht es. Dem Sozialkundelehrer wäre Naina wohl besonders dankbar. Er erklärt den Schülern, wie sie Wartesemester überbrücken, welche Wohnmöglichkeiten sie haben und welche Versicherungen wichtig sind. Weil der Unterricht anstelle eines anderen Grundkurses stattfindet und ein Portfolio Grundlage der Bewertung ist, müssen die Elftklässler eine Klausur im Semester weniger schreiben. „Das erspart mir und meinen Mitschülern viel Stress“, sagt Klemens Lehmann (18).

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus ist dennoch skeptisch: „Ich halte das zwar für einen wichtigen Impuls, aber nicht auf Kosten eines anderen Faches.“ Er empfiehlt den Kurs als Zusatzveranstaltung: „Junge Menschen können auch mal einen Nachmittag in ihre Zukunft investieren.“

Von Benjamin Manthei , 19 Jahre

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