„Es ist nicht leicht, mit diesem Wissen zu leben“

13KW50_Topthema_webChristiane F. über ihre Autobiografie, die nun, 35 Jahre nach „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, erschienen ist

 

Als 16-Jährige schrieb Vera Christiane Felscherinow 1978 unter dem Pseudonym Christiane F. das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Sie berichtete darin über ihr Leben als drogenabhängige Jugendliche in Berlin. Das Buch machte sie berühmt. Heute ist Christiane Felscherinow 51 Jahre alt, kürzlich erschien ihre Autobiografie „Christiane F. – Mein zweites Leben“. Die Jugendredaktion sprach mit ihr.

 

Christiane, viele finden deine Geschichte toll, weil sie denken, dass du von den Drogen losgekommen bist. Hast du dein neues Buch auch geschrieben, um zu zeigen: Hey Leute, so einfach, wie es vielleicht rüberkam, ist es leider nicht gewesen? Das war nicht direkt der Grund. Aber wenn es so rüberkommt, dann ist das schon okay.Meine Geschichte war mit dem ersten Buch einfach noch nicht zu Ende erzählt. Es wurden viele Lügen über mich geschrieben, ich will „Mein zweites Leben“  nutzen, um meine Wahrheit zu erzählen. Aber ich habe auch schon darüber berichtet, dass leider damals viele von meiner Geschichte fasziniert waren und selbst heroinabhängig wurden. Es ist schwer, mit diesem Wissen zu leben. Ganz clean werde ich nie sein und meine Leber wird auch nicht wieder heil.

 

Was bereust du am meisten? Dass ich jemals Drogen genommen habe, ja, klar. Wobei ich leider als der Mensch, der ich bin, immer wieder diesen Fehler machen würde. Aber ich würde mein erstes Buch, meinen Erfolg, mein Geld, einfach alles hergeben, wenn ich nur ein ganz einfaches Mädchen hätte sein können. Ich bereue auch oft, dass ich „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ überhaupt geschrieben habe. Gut, ich war 16. Damals war mir nicht klar, was das alles nach sich ziehen würde. Mit dem Stigma, Deutschlands bekanntester Junkie zu sein, lässt es sich schwer gesund werden.

 

Was war der schönste Moment oder die schönste Zeit bisher? Die Geburt meines Sohnes. Mutter zu werden, war das größte Glück für mich. Ich finde auch, dass ich das gut hinbekommen habe. Mein Sohn ist wirklich gut geraten. Inzwischen ist er 17 Jahre alt, fast 1,90 Meter groß und geht auf eine Oberschule.

 

Warum finden gerade Teenager Drogen so toll. Und warum sind die, die sie nehmen, oft so angesagt oder gelten als cool? Und wie könnte man das ändern?
Die meisten Menschen nehmen Drogen zu sich, weil sie sich damit betäuben wollen. Weil sie sonst überfordert sind mit ihrem Leben, mit der Schule, ihren Eltern oder sonst was. So war es auch bei mir, das gebe ich zu. Viele trauen sich ja im betrunkenen Zustand zum Beispiel viel mehr als nüchtern. Das heißt aber umgekehrt, dass ihnen ohne Stoff auch der Mut fehlt. Daran ist nichts Cooles.

 

Glaubst du, dass eine schwierige Kindheit das Suchtproblem verstärkt oder zu ihm führen kann? Ich war einsam und andere Jugendliche konnten mich schnell anstiften, etwas Dummes zu tun, nur damit ich dazugehöre. Seit ich selbst Mutter bin, weiß ich, wie schlecht meine eigene ihren Job gemacht hat. Sie hat uns immer das Gefühl gegeben, dass wir uns um sie kümmern müssen, weil sie völlig überfordert war. Aber wenn du als Baby und Kind immer das Gefühl haben musst, dass alles schrecklich und schlimm ist, dann wirst du dieses Gefühl dein ganzes Leben lang haben. Das haben meine Eltern verbockt.

 

Wovor würdest du Teenager warnen? So etwas kann ich leider nicht. Ich bin ja kein Priester oder Lehrer oder so. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, ich kann niemanden von irgendwas abhalten und ich will, ehrlich gesagt, auch nicht die Verantwortung dafür tragen, dass andere tun, was ich rate. Ich kann nur an die Gesellschaft appellieren. Es gibt Menschen, die sind eben nicht so schnell oder so stark wie andere – aber die sind ja deswegen nicht weniger wert. Diese Gesellschaft überfordert ihre Mitglieder und das führt dazu, dass viele daran zerbrechen.

 

Was möchtest du Jugendlichen mit auf den Weg geben? Das kann ich nicht sagen. Mir begegnen viele Menschen, alle sind anders. Ich kenne euch ja nicht. Aber ich wünsche jedem, dass er das Beste aus seinem Leben macht.

 

Interview: Anastasia Barner, 14 Jahre

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Abitur: check. Schreiben für die coolste Jugendseite seitdem ich 14 bin: check. Weltherrschaft: in Arbeit. Wie genau ich das anstelle, weiß ich noch nicht. Ich, 19, bin noch in der Findungsphase. Ich habe bereits Praktika bei Mode- und Lifestyle-Magazinen absolviert und in vielen Filmen und Serien mitgespielt. Ansonsten reise und singe ich viel, verschlinge drei Bücher pro Woche und schreibe in jeder freien Minute. Wohin mich all das bringt, weiß ich noch nicht. Aber sobald ich es weiß, schreibe ich einen Artikel darüber.