Viele Häuser und Hochhäuser in einer Großstadt.
Auch so sieht Afrika aus: Kapstadt von oben.

Deshalb ist unser Bild von Afrika so verzerrt

Kriege, Krankheiten, Katastrophen? Wir wissen kaum etwas über den Kontinent. Das hat auch mit dem Geschichtsunterricht zu tun.

Wilde Tiere, Wüsten, Wellblechhütten, Hunger, HIV, Wassermangel. Was ist eigentlich Afrika? Als ich zu meinem Auslandsjahr in Südafrika aufgebrochen bin, wusste ich es auch nicht so genau.

Hier die Fakten: Afrika ist ein Kontinent mit 54 Ländern, einer Größe von rund 30 Millionen Quadratkilometern, einer Bevölkerung von ungefähr 1,3 Milliarden Menschen und mehr als 2 000 Landessprachen. Afrika ist also dreimal größer, mehr als anderthalbmal so bevölkerungsreich und hat mehr als zehnmal so viele Sprachen wie Europa. Trotzdem wurde ich schon mehrmals gefragt, ob ich denn ein bisschen Afrikanisch sprechen würde.

Medien, Kampagnen, Werbung – so entsteht das verzerrte Bild

Woher kommen so absurde Fragen, wie entsteht das verzerrte Bild, das die allermeisten von Afrika haben? Geht es in den Nachrichten überhaupt mal um Afrika, dann wird in der Regel über Negatives berichtet: Krankheitsausbrüche, Korruption und Krieg. UNICEF ruft in den Werbepausen zu Spenden auf. Indessen wird auf Plakaten für die Savannen Namibias geworben und Simba in „König der Löwen“ zum König aller Tiere gekrönt. Viele bekannte Filme, die sich irgendwo in Afrika abspielen, zeigen nicht das Land und dessen Kultur, sondern das Abenteuer der weißen Hauptfiguren. Der Kontinent Afrika wird allzu oft als Bühne benutzt, auf der sich weiße Europäer inszenieren. Afrikaner sind ständig einer Abwertung und Exotisierung ihrer Identität ausgesetzt.

Kizito Odhiambo lebt seit Jahren in Deutschland. Als gebürtiger Kenianer kennt er das Problem genau. Er ist Afrika-Referent der Kampagne „Gemeinsam für Afrika“ und will bei Schulbesuchen ein differenziertes Bild vermitteln. Er spricht dabei auch über Rassismus und deutsche Kolonialgeschichte. 90 Minuten – zu wenig Zeit. Odhiambo sagt, dass das westliche Bild Afrikas vor allem von Berichten über Länder südlich der Sahara geprägt sei. Oft seien es Staaten wie Angola, Mosambik, Simbabwe und Botswana, die mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Problemen zum Beispiel gemacht werden.

Auf dem Lehrplan stehen andere Themen

Wieso fällt das kaum jemandem auf? Das Thema Afrika wird in den meisten Schulen lediglich im Politik- oder Erdkundeunterricht angeschnitten, im Geschichtsunterricht bleibt es zumeist nahezu unberührt. In Berlin ist die Zeit des deutschen Kolonialismus bloß ein Wahlthema im Rahmenlehrplan. Warum? Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie antwortet auf meine Anfrage folgendermaßen: „Es ist unbestritten, dass die Kolonialgeschichte ein wichtiger Teil der deutschen Geschichte ist – andererseits ist zu bedenken, dass in den vier Semestern der Kursoberstufe mehr als nur die Jahrzehnte von 1884 bis 1918 zu behandeln ist und auch mehr als nur die deutsche Geschichte.“ Es sei jedoch davon auszugehen, dass das Thema bei der Überarbeitung der Lehrpläne für die Sekundarstufe II mehr Raum einnehmen werde.

Es gibt also wichtigere Themen, zum Beispiel den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg oder den Marshallplan. Es gibt ein Sprichwort, das mit dem nigerianischen Literaten Chinua Achebe in Verbindung gebracht wird: „Bis die Löwen ihre eigenen Historiker haben, wird die Geschichte der Jagd immer den Jäger glorifizieren.“ Vielleicht stimmt das.

„Bis die Löwen ihre eigenen Historiker haben, wird die Geschichte der Jagd immer den Jäger glorifizieren.“

Chinua Achebe, nigerianischer Schriftsteller

Die fehlende Aufklärung über die Zeit des Kolonialismus und die Geschichte des Kontinents erschwert jedenfalls ein Verständnis für die Situation dieser Länder. Deshalb braucht es bis auf Weiteres Arbeit und Eigeninitiative, um sich von der Idee des exotischen, wilden Afrikas zu lösen und zu sehen, was tatsächlich da ist. Afrika ist vielfältig, riesig, einzigartig, warm, kalt, bewaldet und kahl, aber vor allem ist es gezeichnet von der Geschichte.

Von Zora Günther, 20 Jahre

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