An Janinas Hochschule ist ein Mindestabstand von 1m einzuhalten.

Blick ins Ausland: So ist das Studium an norwegischen Universitäten während Corona

Während der Ablauf des Wintersemesters in Deutschland noch unklar ist, zeigen norwegische Universitäten und Hochschulen, wie man mit Corona in der Lehre umgehen kann – vom digitalen Studium bis zum Präsenzunterricht auf dem Campus. Die Hauptsache ist, dass das Studentenleben erhalten bleibt.

Von Janina Wildermuth

Es ist Mitte August. Die norwegischen Universitäten und Hochschulen bereiten sich auf das kommende Semester vor. Einige empfangen ihre neuen Studierenden online, andere veranstalten trotz des bestehenden Ansteckungsrisikos physische Kennenlernspiele, Führungen und Partys auf dem Campus. Auch ich nehme an der Erstsemesterwoche der Hochschule in Volda, an der Westküste Norwegens, teil. Hier bin ich eine von wenigen internationalen Studierenden, denn internationale Studienaustauschprogramme, die nur wenige Semester andauern, wurden abgesagt. Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, bis das Corona-Virus auch die Hochschule in Volda erreicht hatte.

Mit einem ein Meter langem Holzstock wird an die Abstandsregeln erinnert

Während die großen Universitäten in Oslo und Tromsø ihre Studierenden von vornherein online empfangen, starten die Universitäten in Bergen, im Inland sowie einige andere kleinere Hochschulen mit physischem Unterricht auf dem Campus. Auch in Volda werden wir alle persönlich auf dem Gelände der Hochschule empfangen.

An jedem Ein- und Ausgang befinden sich Handdesinfektionssäulen und Plakate, die an die Schutzmaßnahmen erinnern. Die maximale Anzahl an Personen in Räumen ist deutlich reduziert und jegliche Oberflächen werden nach jedem Gebraucht desinfiziert. Dennoch beschwingt mich ein mulmiges Gefühl und starkes Mistrauen gegenüber den Maßnahmen. Niemand trägt hier Masken. Dafür erinnert eine Angestellte mit einem roten, ein Meter langem Holzstück täglich an den Mindestabstand zwischen den Studierenden.

Wartezeiten miteinander zu verbringen und sich dadurch erst richtig kennenzulernen ist essenziell, um nicht in Einsamkeit zu versinken.

Spreewild-Autorin Janina Wildermuth über Einschränkungen im Studium

Die Idee hinter der Corona-angepassten „Erstiwoche“ ist es, die neuen Studierenden in Gruppen einzuteilen, um den möglichen Ansteckungsverlauf nachvollziehen zu können. Es wurde viel geplant und vorbereitet, um den Erstsemestern einen guten und sicheren Start in das Studentenleben zu ermöglichen. Auch an den anderen Universitäten und Hochschulen im Land wird viel Wert darauf gelegt, das Campusleben aufrecht zu erhalten. Die Veranstaltungen an der Universität in Tromsø finden zum Beispiel alle online statt. Dennoch ist der Campus offen zugänglich für Gruppenarbeiten und zum Lernen.

Trotz aller Präventivmaßnahmen ist die Hochschule bemüht, das Campusleben so gut wie möglich zu erhalten. © Janina Wildermuth

Erstsemesterwoche als Katalysator für die Ausbreitung des Corona-Virus

Es dauerte nicht einmal zwei Wochen, dann kam die Meldung: Eine Erstsemestergruppe und ihre Tutoren in Bergen hatten sich mit dem Corona-Virus angesteckt. Die Infektionszahlen steigen auf 39 und führen dazu, dass die Universitäten und Hochschulen in Bergen für mehrere Wochen schließen. Die Stadt spricht von „temporären Corona-Maßnahmen“, die nach dem Ausbruch vom 8. – 22. September für Sicherheit sorgen sollen. Der Campus ist währenddessen weiterhin offen für diejenigen, die vor Ort studieren müssen. Auch die Hochschule im Inland hat vom 31. August bis zum 7. September den physischen Unterricht auf zwei ihrer Campus aufgrund zweier Corona-Fälle stillgelegt.

In Volda hat es bislang nur einen positiven Fall gegeben, welcher auf eine Studentin zurückzuführen ist, die sich in Bergen angesteckt hat. Ihre Mitbewohner sowie alle Personen, mit denen sie auf dem Weg hierher in Kontakt war, mussten sich in Quarantäne begeben. Doch das reicht nicht aus, um das 10.000-Einwohner-Dorf Volda und seine 4000 Studierenden in den Online-Unterricht zu zwingen. Mittlerweile befindet die Betroffene sich – wieder genesen – mit allen anderen Studierenden auf dem Campus.

Das Problem bleibt unsere eigene Leichtsinnigkeit in der Freizeit.

Spreewild-Autorin Janina Wildermuth

Betrunken vergisst man schnell die Gefahr

Bei offiziellen Hochschulevents wie der Erstsemesterwoche achten Lehrende und bestelltes Sicherheitspersonal auf den nötigen Abstand zwischen den Studierenden. Bei privaten Feiern dagegen vergisst man das schnell. Und genau dort stecken sich die meisten jungen Menschen an. Die Regierung hat versucht das Risiko, sich beim Feiern anzustecken, mit einem nationalen Ausschankgesetz zu reduzieren. Seit dem 8. August dürfen Bars, Restaurants und Pubs in Norwegen nach Mitternacht keinen Alkohol mehr verkaufen. Allerdings führt das wie andernorts auch zur Verlagerung der Feiern in private Räume.

Onlineunterricht auch in Norwegen besonders schwer für Erstsemester

Ich schaue mitleidig auf meine Freunde in Berlin. Insbesondere diejenigen, die dieses Semester an einer neuen Universität anfangen, haben es unglaublich schwer, sich einzufinden. Wartezeiten miteinander zu verbringen und sich dadurch erst richtig kennenzulernen ist essenziell, um nicht in Einsamkeit zu versinken.

Es fehlt das quirlige und verrückte Studiengefühl. Glücklicherweise erlaubt die Universität in Tromsø den Studierenden, den Campus unter Beachtung der Corona-Schutzmaßnahmen trotzdem zu nutzen. Die Universitäten in Berlin sind da deutlich strenger. Die Campus bleiben geschlossen. An den norwegischen Universitäten und Hochschulen scheint es hingegen, als würden die Präventionsmaßnahmen gut wirken. Das Problem bleibt unsere eigene Leichtsinnigkeit in der Freizeit, wenn keiner mehr den ein Meter langen Holzstock in die Gruppe hält.

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