Studenten in überfülltem Hörsaal
Überfüllte Hörsäle und Seminarräume sind ein großes Problem an deutschen Universitäten.
Klartext

Erste Semesterwoche und schon wieder herrscht Chaos

Manchmal freut man sich nach drei Monaten des Nichtstuns ja schon fast auf den Start des neuen Semesters. Doch die anfängliche Euphorie löst sich schnell in Luft auf, sobald man sich in den ersten komplett überfüllten Seminarraum quetschen muss.

Von Moritz Tripp, 24 Jahre

Es ist 10.15 Uhr, der zweite Tag des Wintersemesters beginnt. Pünktlich komme ich im Seminarraum an und verdrehe genervt die Augen. Mir bietet sich ein nur allzu bekanntes Bild: Der viel zu kleine Raum quillt bereits über vor missmutig dreinblickenden Kommilitonen; längst sind keine freien Stühle mehr übrig. Ich muss mit zwei anderen auf dem letzten verbleibenden Tisch in der Ecke Platz nehmen – und habe damit noch Glück. Alle, die nach mir ankommen, lassen sich notgedrungen auf dem Boden nieder, bis auch dieser keinen Platz mehr bietet. Der Rest muss stehen. In einem Seminar! Eine Diskussion zu führen, was ja Sinn und Zweck eines Seminars sein soll, ist somit praktisch unmöglich. Auch der Dozent ist sichtlich angespannt. Mit so einem Andrang habe man nicht gerechnet, erklärt er. „Erstaunlich, wie viele Studenten die Fakultät doch hat“, sagt er mit einem gezwungenen Lachen.

Doch mir ist nicht nach Lachen zumute. Wieder ein komplett sinnloses Seminar, aus dem ich am Ende des Semesters zwar meinen unterschriebenen Leistungsschein mitnehmen werde, jedoch inhaltlich wenig bis gar nichts. Dabei wäre das Thema an sich sogar interessant. Aber man kann eben nicht viel lernen, wenn der Seminarraum der U1 zur Feierabendzeit gleicht. Das ist das Ergebnis, wenn zu einem Modul, das absolut jeder absolvieren muss, nur ein einziges Seminar pro Semester angeboten wird. Ein weiteres zu organisieren oder das bestehende in zwei Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten zu unterrichten ist an meiner Fakultät offenbar nicht möglich. Vielleicht ist auch noch nicht angekommen, dass es in Berlin nun mal wahnsinnig viele Studierende gibt…

Jedes Semester aufs Neue scheint die Fachschaft vom großen Andrang überrumpelt zu sein. Dabei melden wir uns genau aus diesem Grund im Voraus online zu unseren Seminaren an – um die Organisation des Semesters zu erleichtern. Und trotzdem sind die Räume immer zu klein, des Seminarangebot zu gering und die Dozenten überfordert.

Personalmangel ist ein großes Problem

In meinem Fall hängt das freilich vor allem mit der schlechten Organisation der Fachschaft zusammen – doch dem mickrigen Seminarangebot liegt ein drastischeres Problem zugrunde. An vielen Fakultäten herrscht ein Mangel an Dozenten, daher ist das Angebot hier generell kleiner als die Nachfrage. Dem Problem könnte man zwar durch bessere Organisation entgegenwirken, doch letztendlich bliebe es bestehen. Der Personalmangel kann zwei Gründe haben: Entweder es finden sich einfach keine qualifizierten Lehrkräfte oder die finanziellen Mittel reichen nicht aus, um genügend zu beschäftigen. So oder so sind die Leidtragenden am Ende sowohl die Studierenden als auch die Dozenten. Für alle Beteiligten sind überfüllte Vorlesungssäle und Seminarräume eine erhebliche Belastung, die die Freude am Lehren und Studieren erheblich mindert. Auch die Infrastruktur ist ein großes Problem: Zwar sind 40 Teilnehmer an einem Seminar generell zu viel, doch es wäre deutlich erträglicher, wenn die Räumlichkeiten wenigstens genügend Platz böten. Auch hier fehlt jedoch wieder das Geld, um ein angemessenes Raumangebot zu schaffen.

Letztendlich ist eine Lösung schon lange offensichtlich: Mehr Geld für die Bildung ist nötig, sowohl für Schulen als auch für Universitäten. Da tut es umso mehr weh zu beobachten, wie Staatsgelder an anderer Stelle für rechtswidrige Mautkonzepte oder fehlerhafte Flughäfen verfeuert werden…

Mein einziger Lichtblick: Nach ein paar Wochen dürften einige Kommilitonen dermaßen genervt von der Situation sein, dass sie den Kurs schmeißen. Manch anderer verliert schnell die anfängliche Motivation und lässt sich nur noch selten blicken. Dadurch dünnt sich der Kurs quasi von selbst ein bisschen aus und es wird etwas entspannter für die Verbliebenen.

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