Ein Land, zwei Schulsysteme: Es ist 7.30 Uhr. Rund 500 Schüler stehen in Reihen auf dem Schulhof. Eine solche Szene kennt man in Berlin vielleicht von einem Probefeueralarm. An meiner Schule im argentinischen Córdoba wiederholte sie sich Tag für Tag. Sobald alle standen, liefen zwei Kinder in die Mitte des Platzes und hissten die argentinische Flagge. Alle Schüler sprachen ein katholisches Glaubensbekenntnis und applaudierten anschließend enthusiastisch.
Was die Szene außerdem von einem Probealarm an einer Berliner Schule unterschied, war die Kleidung: Stoffhose, Hemd mit Schulwappen, dazu Krawatte und Segelschuhe. Man muss dazu sagen, dass ich zu dieser Zeit eine private Schule besuchte, die aber hinsichtlich ihres Niveaus mit einer Berliner Realschule vergleichbar war. Nach einem halben Jahr wechselte ich auf eine staatliche Oberschule und lernte den absoluten Gegensatz kennen. Als Schuluniform galt dort entweder ein blaues T-Shirt oder das Fußballtrikot der argentinischen Nationalmannschaft.
Während an der privaten Schule die Schüler schon Kurse für ihre späteren Berufe (Arzt, Jurist, Betriebswirt) belegten, gingen die Jugendlichen dort davon aus, sowieso nicht die Möglichkeit zu haben, einen Beruf zu erlernen, geschweige denn zu studieren. Einige können hoffen, irgendwann das Geschäft ihres Vaters zu übernehmen, die anderen werden sich eines Tages auf eine andere Weise durchschlagen müssen.
(Von Simon Grothe, 18 Jahre)