Die Mehrzahl der Berliner Lehrer weiß nicht genau, was Transgeschlechtlichkeit und Intergeschlechtlichkeit ist. Das fanden kürzlich Wissenschaftler heraus. Die Themen werden daher im Unterricht kaum behandelt. Ein großes Problem für lsbti*-Jugendliche.
Von Janine Kusatz
Schüler*innen haben leider viel zu oft mit Diskriminierung aufgrund ihrer Sexualität zu kämpfen. Das führt nicht selten dazu, dass einige sich gar nicht erst trauen, sich zu outen. Das wiederum führt zu psychischem Druck. Die Wahrscheinlichkeit, einen Selbstmordversuch durchzuführen, liegt bei Jugendlichen, die sich als LGBTI* identifizieren, um 3,2 Prozent höher als bei heterosexuellen Jugendlichen. Da stellt sich die Frage: Was wird eigentlich diesbezüglich unternommen?
Große Wissenslücken bei Berliner Lehrern
Eine Studie der Humboldt Universität und der Sigmund Freud Privat Universität zeigt, dass 57 Prozent der 566 befragten Lehr- und pädagogischen Fachkräfte nicht einmal die genaue Definition für Transgeschlechtlichkeit kennen. 66 Prozent wussten nicht, was Intergeschlechtlichkeit ist. Ziemlich traurig für das sonst so offenherzige Berlin. Die Befragung, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie stattfand, wurde an 43 zufällig ausgewählten Berliner Schulen durchgeführt und um Gruppen- und Einzelinterviews mit insgesamt 44 Expert*innen, pädagogischen Fachkräften sowie lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter* (lsbti*) Jugendlichen ergänzt.
Nur 38 Prozent der befragten Fachkräfte wusste von offen lesbischen, schwulen oder bisexuellen Schüler*innen an ihrer Schule. „Dass in einer Schulklasse keine lsbti*-Jugendlichen sind, ist jedoch wenig wahrscheinlich, wie frühere Befragungen zeigen“, heißt es in der Studie.
Eine Befragung aus dem Jahre 2011 hat ergeben, dass Schüler*innen eine positivere Einstellung gegenüber LGBTI* haben, wenn Lehrkräfte geschlechtliche Vielfalt im Unterricht thematisieren und gegen Diskriminierung intervenieren. Jedoch kann das nicht funktionieren, wenn Lehrkräfte nicht einmal genau wissen, was Trans- und Intergeschlechtlichkeit ist.
Mehr Fortbildung nötig
Es gibt durchaus Projekte und Organisationen – zum Beispiel Queerformat“ – die sich darauf spezialisiert haben, Schüler*innen bezüglich geschlechtlicher Vielfalt und Antidiskriminierung weiterzubilden. Das ist auch etwas, das sich LGBTI* Schüler*innen seitens ihrer Lehrkräfte wünschen. Es reicht aber nicht aus, einmal eine*n Referent*in ins Klassenzimmer zu holen, wenn die Lehrkräfte nicht wissen, wie sie weiter damit umgehen sollen. Geschweige denn, als Bezugsperson selbst Stellung dazu beziehen. Die ganze Thematik müsse von den Lehrkräften weitergetragen werden, um tatsächlich und langfristig Bestand zu haben, heißt es in der Studie. „Die Fachkräfte brauchen vor allem konkretes Handlungswissen. Sie engagieren sich mehr für LSBTI*, wenn sie wissen, wie sie konkret gegen Diskriminierung vorgehen können, wo sie geeignete Materialien finden, die Vielfalt berücksichtigen, und dass sie mit ihrem Verhalten die Situation von lsbti* Schüler*innen tatsächlich verbessern können“, so Dr. Ulrich Klocke, die die Studie leitete. Um dies zu erreichen brauche es mehr Lehrmaterialien, die Vielfalt selbstverständlich berücksichtigen, sowie Fortbildungsmaßnahmen.