Am Taktstock gewachsen

Deutschlands erste Dirigierklasse kommt aus Zehlendorf. Wir haben den Jugendlichen auf die Hände geschaut

Laura Patz, 21 Jahre

Wer kennt das nicht: Man steht vor der Klasse und soll ein Referat halten. Trotz intensiver Vorbereitung rutscht einem plötzlich sprich­wörtlich das Herz in die Hose. Vielen Jugendlichen geht das so. Musikpädagoge Alexander Saier von der Freien Schule Anne-Sophie in Zehlendorf wollte helfen und initiierte 2013 den Workshop „Dirigieren lernen“. Den Schülern sollte vermittelt werden, wie positiv sich das Leiten eines Orchesters auf die Persönlichkeit und das Selbstvertrauen eines jungen Menschen auswirken kann.

Sieben Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren hatten so viel Spaß an dem Projekt, dass sie sich entschlossen, weiterzumachen. Mit Gernot Schulz, Dirigent und Professor für Schlagzeug der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, entwickelte Saier ein spezielles Dirigier-Konzept für Schüler. Deutschlands erste Jugend-Dirigierklasse war geboren. Dank einer Kooperation mit der Jungen Philharmonie Berlin konnten die Nachwuchsdirigenten Anfang November eindrucksvoll unter Beweis stellen, was sie bisher gelernt haben. Bei ihrem Abschlusskonzert leiteten sie niemand Geringeren als die Jungen Philharmoniker. Das Publikum war begeistert.

Jungdirigentin Chiara Brödemann. Foto: SUSCA FREIE SCHULE ANNE-SOPHIE BERLIN
Jungdirigentin Chiara Brödemann. Foto: SUSCA FREIE SCHULE ANNE-SOPHIE BERLIN

Ein Jahr intensive Vorbereitung und viele gemeinsame Proben gingen dem Auftritt voraus. Stücke von Mozart, Tschaikowsky oder Beethoven brachten die 80 Musiker zu den dynamisch-selbst­bewussten Bewegungen der Jugendlichen zu Gehör. Jeder von ihnen hatte ein Stück ausgewählt und passend dazu einen eigenen Dirigier-Stil entwickelt. Ein Jahr früher, so sagen sie, hätten sie sich nicht einmal getraut, durch die erste Reihe des Orchesters zu laufen.

Trotz des tosenden Applauses betonte Alexander Saier, dass es nicht um musikalische Perfektion gegangen sei, sondern vielmehr um den „Abschluss eines Entwicklungsprozesses von jungen Persönlichkeiten, die gelernt haben, mit dem ­Potenzial ihrer nonverbalen ­Kommunikation über sich hinaus­zu­wachsen“. Ein großes Anliegen von ihm ist es, noch mehr Schüler und Lehrer von diesem Konzept zu begeistern und ähnliche Projekte in den Stundenplan weiterer Berliner Schulen zu integrieren.

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