Schüler mit bunten Kostümen tanzen auf Stelzen

20 Jahre Schüleraustausch mit Weißrussland

Ein ungewöhnliches Ziel für einen Austausch: Die Berliner Gutenberg-Schule pflegt den Kontakt zu einem Internat in Molcad.

Paris, Rom oder Barcelona – an diese Ziele führen Sprachreisen und interkulturelle Fahrten normalerweise. Von der Gutenberg-Schule in Lichtenberg jedoch fahren jährlich einige Schüler in das kleine Dorf Molcad in Weißrussland. Bereits seit 20 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen dem dortigen Internat und der Berliner Sekundarschule.

„Wir schenken ein Lächeln“

Eine, die von Anfang an dabei war, ist Ute Gdanietz. Sie war Lehrerin an der Gutenberg-Schule, als 1995 der Verein Freunde der Völker Russlands darum bat, eine Kaffeetafel für Kinder aus einem Waisenhaus in Gomel zu veranstalten. Die Stadt galt nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl als Sperrgebiet, in Deutschland sollten die Kinder unbeschwerte Tage verbringen. Das gilt im Grunde noch immer, auch wenn die Gutenberg-Schule bald entschied, selbst eine Partnereinrichtung zu suchen – und im Internat Molcad fündig wurde. „Das Motto ist: Wir schenken unseren Kindern ein Lächeln“, sagt Ute Gdanietz. „Der Kern sind humanitäre Hilfe und Schüleraustausch.“

Etwa 20 Schüler reisen jedes Jahr nach Weißrussland, alle zwei Jahre kommt eine Gruppe aus Molcad nach Berlin. Das Internat nimmt Kinder aus sozial schwachen Familien auf, erhält aber kaum Unterstützung. Obwohl es eine Sanatoriumsschule ist, fehlt es an medizinischen Geräten und Hilfsmitteln. Die Gruppe aus Lichtenberg hat deshalb immer zahlreiche Spenden im Gepäck, von Kleidung über Spielzeug bis hin zu Hygieneartikeln. „Einmal haben wir zum Beispiel für alle Kinder neue Bettdecken gekauft“, berichtet Ute Gdanietz. Bei all dem Gepäck gebe es an der Grenze schon mal Probleme. Unterstützt wird die Schule von Sponsoren und Stiftungen. Bei den Fahrtkosten helfen etwa die Bürgerstiftung Lichtenberg und die Stiftung West-Östliche-Begegnung, die Organisation Jugend hilft föderte den Aufbau eines Verkehrsgartens. 

Doch es geht nicht nur um Spenden. Während der 14 Tage, die die Schüler aus Lichtenberg im Internat verbringen, gestalten sie Arbeitsgemeinschaften und Projekttage. Das heißt auch, dass die Reise Vorbereitung erfordert. Dennoch gab es zuletzt 38 Anmeldungen für die 20 Plätze. Die 15-jährige Nicole war schon viermal dabei. „Meine Schwester hat vor mir mitgemacht und ich bin dann mal mitgefahren“, sagt sie. Ihre Mitschülerin Bettina ergänzt, dass sie gern reist und zuvor noch nie in Weißrussland gewesen war. „Ich wollte erfahren, wie die Kinder im Internat leben.“ Dieses Leben unterscheidet sich zum Teil sehr von dem, das die Schüler aus Berlin kennen.

„Alle verstehen sich“

Nicole und Bettina verarbeiten ihre Erfahrungen gerade in einer Festzeitung zum 20-jährigen Jubiläum der Schulpartnerschaft. Zehn Seiten sollen es werden, fünf auf Deutsch und fünf auf Russisch. Währenddessen probieren sich die weißrussischen Gastschüler, die gerade Berlin besuchen, im Kinderzirkus Cabuwazi in Kreuzberg an Tüchern, Bällen und Seilen aus. Bereits seit fünf Jahren besteht diese Kooperation, einige Trainer begleiten sogar die Reisen nach Weißrussland.

„Der Zirkus macht allen Spaß, sie wollen am liebsten alles ausprobieren“, sagt Olga Sakowskaja, die in Molcad Deutsch unterrichtet und nun in Berlin als Betreuerin dabei ist. Tatsächlich hängen die Schüler schon nach kurzer Zeit mutig hoch oben im Vertikaltuch oder bauen akrobatische Menschenpyramiden. Berührungsängste gibt es keine. „Die Kinder sind begeistert von der gemeinsamen Zeit mit den deutschen Schülern“, so Sakowskaja. „Auch wenn nicht alle die Sprache beherrschen, verstehen sie sich.“

Im vergangenen Jahr haben die Schülerinnen und Schüler bei ihrem Austausch von den Artisten des Kinderzirkus gelernt, auf Stelzen zu gehen. (c) Gutenberg-Schule

Das bestätigt auch Ute Gdanietz. „Die Schüler lernen sich gut kennen, es entstehen Freundschaften. Auch die jüngeren und älteren Schüler wachsen zusammen.“ Das Projekt liegt ihr am Herzen, selbst im Ruhestand engagiert sie sich dafür. Das gilt ebenfalls für Eltern, die den Austausch noch unterstützen, wenn ihre Kinder die Schule längst verlassen haben. „Natürlich könnte man auch sagen, dass unsere Schule die größere Last trägt“, sagt Gdanietz. „Aber wir profitieren so viel von dem Austausch.“ Vor Kurzem gab es ein Ehemaligentreffen. Und auch dort waren sich alle einig: Das Projekt hat ihnen viel gegeben.

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„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.